Bark River knives: Quartermaster

Es hört sich komisch an, wenn man mich kennt, aber eigentlich kaufe ich keine Messer mehr. Eigentlich. Es muss schon etwas Besonderes passieren, dass ich auf Anhieb denke, ich muss ein Messer haben, das ich sehe.

Zum Geburtstag ist es natürlich etwas anderes. Da kaufte ich mir zuletzt wieder ein Randall made knife. Und es schwirren mir auch noch einige Messer seit Jahren im Kopf herum, die ich vielleicht irgendwann kaufe, etwas das schwedische Lars Fält knife von Casström oder ein finnisches Jagdmesser von Roselli oder eines von einer so ikonischen Marke wie Case Cutlery oder Bucks knives (auch wenn deren moderne Programme mich eigentlich wenig reizen).


 

Aber als ich 2020 das "Quartermaster" von Bark River einmal im Internet gesehen hatte, war klar, dass ich es haben muss. Allerdings erwies sich das als sehr schwierig. Es war weltweit, egal auf welchen Kanälen, egal für welche Summe, nicht mehr zu finden. Auf der Seite irgendeines Online Shops in den USA (knivesshipfree.com) konnte man sich immerhin für eine erneute Produktion eintragen. Natürlich gab es aber keine Angabe, wann diese stattfinden würde. Schaden konnte es ja nicht. Deshalb hinterließ ich alle möglichen Daten. Und dann, auf einmal, als mir noch das Randall-Messer finanziell weh tat, ohne, dass ich es aber schon in den Händen gehabt hätte, wurde ich benachrichtigt, dass das "Quartermaster" zum Versand bereit war!



Bark River knives hat als Semi-custom Hersteller (ohne Direktverkauf) einen guten Namen, aber auch keinen, der mich für sich genommen großartig beeindruckt. Die Unternehmensgeschichte begann 1987 als Mike Stewart, der bis dahin einen kleinen Waffenladen betrieben hatte, mit seiner Frau eine Messerfirma gründete: "Blackjack Knives". Das Unternehmen war nach kurzer Zeit insolvent, erholte sich aber und verlagerte die Produktion nach Japan. Ich habe keines dieser Messer, aber Blackjack war einer der Hersteller, die mich aufgrund ihrer an traditionelle Vorbilder angelehnten Designs schon immer interessierten.

1997 verkaufte Stewart seine Firma und zog von Kalifornien nach Michigan, wo er "Bark River knives" gründete. Inzwischen arbeitete nicht nur seine Frau mit, sondern auch sein Sohn und seine Tochter. Bark River hat heute weltweit weniger als 10 Generalvertreter und wenn man selbst Bark River-Messer verkaufen möchte, muss man sich an diese wenden.



Dass Bark River viele traditionelle Entwürfe adaptiert ist einerseits eine Stärke (wenn es sich um bewährte Designs handelt) und andererseits eine Schwäche (es gibt weniger wirklichen Neuerungen und auch andere adaptieren die selben Vorbilder).

Das "Quartermaster" folgt einem historischen Vorbild, nämlich dem Messer der "Seabees", der legendären US Navy-Pioniereinheiten des Zweiten Weltkriegs. Das Messer war damals allerdings nicht nur Teil ihrer Ausstattung, sondern wurde auch verkauft (u.a. in den PX-Stores der US-Streitkräfte). Es war als Universalmesser gedacht und weniger als Kampf- oder reines Werkzeugmesser. Es wurde von den Firmen Cattaraugus und Case Cutlery hergestellt. Das berühmte MK II, also "US Navy und Marine Corps Utility Knife" stammte hingegen weit überwiegend aus dem Staat New York und zwar von Camillus, Ka-Bar oder Utica Knife Company.


Quartermaster vs. Mark 1 (Kabar)

Dass das MK II heute Ka-Bar genannt wird, obwohl dies nur einer der Hersteller war, ist übrigens wenigstens teilweise dem Marketing eben dieser Firma zu verdanken. Eine Besprechung des MK II und eines weiteren Militärmessers aus der gleichen Ära, dem Mark 1, findet man hier.

Bark River legte das Messer mit einigen zeitgenössischen Änderungen als Gemeinschaftsentwurf mit Vehement Knives neu auf. Es ist mit unterschiedlichen Griffmaterialien und in CPM-3V-Stahl erhältlich. Es handelt sich nicht um ein Full tang-Messer, sondern um einen breiten Platterl (breiter als beim Original), der hinten mit dem Knauf verschraubt wird. Dieser ist wie auch der Handschutz heute (anders als beim Original) aus Edelstahl. Dass der kräftige Kauf vor allem als Hammerersatz konzipiert war, lässt sich nicht belegen. Dagegen spricht auch, dass jedenfalls beim Einschlagen eines großen Nagels ein unnötiges Verletzungsrisiko für die Hand besteht (anders als bei einem Hammer hat die Schlagfläche eines Knaufs keinen Stiel). Auch der These dass der Knauf das für eine gute Balance notwendige Gegengewicht für die starke Klinge bildet, leuchtet mir nicht unbedingt ein. Denn dafür hätte man ja den Erl wie auch jetzt geschehen breiter machen können. Vermutlich ging es schlicht um Stabilität und die beiden genannten Gründe sprechen allenfalls zusätzlich dafür.



Die "Seabees" ("Seebienen") sind eine Art Mischung aus Pionier- und Baueinheit der US-Marine. Ihr Spitzname leitet sich von der Abkürzung C.B. ihrer Verbandsbezeichnung "Naval Construction Battailon" ab.

Die Seabees wurden 1942 aufgestellt, um im Krieg im Pazifik Basen, Bunker, Flugplätze und vieles mehr für die US-Marine anzulegen. Zivile Baufirmen konnten und durften nicht in gleicher Weise auf einem Kriegsschauplatz eingesetzt werden und insbesondere nicht kämpfen. Die Truppe umfasste gegen Kriegsende rund 330.000 Mann.

Darüber hinaus arbeiteten sie aber auch zur Vorbereitung von und im Rahmen von Kampfhandlungen mit den Vorläufern der Seals und dem Marine Corps zusammen und wurden auch auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt - etwa bei der Landung in der Normandie (sie verantworteten die künstlichen Häfen vor der Küste) oder den Rheinübergängen.



Seabees dienten in allen Kriegen der USA seit dem Zweiten Weltkrieg, von Korea und Vietnam bis Afghanistan und Irak. Sie umfassen heute rund 7.000 Männer und Frauen und fast ebensoviele Reservisten.

Im Film wurden die Seabees einmal 1944 in "The Fighting Seabees" (behandelt ihre Gründung) und einmal 1968 in "Green Berets" (dort errichteten sie historisch zutreffend Special Forces Camps im Dschungel) dargestellt. In beiden Filmen spielt John Wayne die Hauptrolle.

Das Quartermaster verfügt über eine Klinge von 15,1 cm Länge und 4,2 mm Dicke. Der Platterl ist durchgehend und breiter als der des Originals. Damit ist das Messer gleichzeitig leicht und handlich genug, um es ständig am Gürtel zu tragen, aber robust genug, um damit ernsthaft zu arbeiten.

Die leicht mattierte Klinge ist wie gesagt aus CPM 3V-Stahl und verfügt über eine Drop Point-Spitze.

 

 

Der Griff ist aus Lederscheiben (stacked leather), aber - anders als bei den Randall- oder Kabar-Messern - out of the box sehr rutschig. Die Handlage des Messers ist bei meiner (mittelgroßen) Hand annehmbar, aber nicht herausragend, denn der Griff ist in der Mitte ziemlich dick und nicht ergonomisch geformt. Er ist eben nahe am Original.


Fester Sitz des Quartermaster vs. Mark 1


Die Lederscheide ist qualitativ sehr hochwertig verarbeitet und weist eine Besonderheit auf, die erst auf den zweiten Blick sehr sinnvoll ist. Sie verfügt über eine Lasche, die über dem Messer, aber unter der Befestigung des Druckknopfes liegt. Man muss den Druckknopf sehr stramm ziehen, um das Messer fest in der Scheide zu positionieren. Das wirkt auf den ersten Blick unnötig umständlich. Aber, wenn man diese Fixierung mit der losen beispielsweise des Mark 1 vergleicht, wird klar, wie durchdacht sie ist. Das Messer sitzt bombenfest in der Scheide, lärmt nicht und geht auch nicht verloren.

 

Marines feiern Seabees im Zweiten Weltkrieg


Zusammenfassend läßt sich sagen, dass das Quartermaster ein qualitativ sehr gut verarbeitetes Messer nach klassischem historischen Vorbild ist. Es ist robust, aber - z.B. auf einer Jagdreise - absolut gut tragbar und als Universalmesser verwendbar. Es ist keine Musterlösung für Skinning und Zerwirken, aber dafür ist es auch nicht gemacht und es erfüllt gerade beim Bergen und Aufbrechen großen Wildes die Mindestanforderung an ein Messer, dass ich bei der Jagd mitführe. Das Quartermaster ist primär als Arbeitsmesser konzipiert gewesen und deshalb darüber hinaus z.B. beim Feuermachen oder Lagerbau nützlich und besitzt am Ende des Tages auch ausreichende Waffeneigenschaften, auch wenn dies heute praktisch keine Rolle mehr spielen mag. Den ursprünglichen Designern des Messers waren vermutlich alle drei Anforderungen mehr oder weniger ähnlich wichtig: Arbeit, Überleben, Verteidigung. Heute ist es ein tolles historisches Design und ein zweifelsohne schönes Messer.