Trainingshilfen: Munitionskiste, Reifen, Vorschlaghammer, Kanister

Eintöniges Training ist schlechtes Training, denn erstens langweilt es und zweitens bietet es dem Körper und auch der Psyche keine neuen Reize, an denen sie wachsen können. Ich will im Folgenden drei Trainingshilfen oder "-geräte" nennen, die Abwechslung bringen.

Langweiliges Training wird selbst vom diszipliniertesten Sportler ungern und mit weniger Aufmerksamkeit (und vielleicht irgendwann auch weniger häufig) gemacht.
Der Körper passt sich an und beherrscht irgendwann zwar die Anforderungen, aber verbessert sich nicht mehr und verliert diejenige Flexibilität, die stetige Veränderung ihm abverlangt. Bei der Psyche ist es nicht anders, denn irgendwann wird auch aus ursprünglich anstrengendem Training eine Art "Trainings-Komfortzone".

Heute schlage ich den Vorschlaghammer, die Munitionskiste den Autoreifen und Kanister vor, vier "Geräte", die man alle zusammen für zwischen 50 und 100 Euro bekommt, und mit denen man mindestens 6 verschiedene Übungen machen kann.




1. Der Vorschlaghammer
Der Vorschlaghammer ist in zweierlei Hinsicht ein gutes Trainingsgerät. Meiner wiegt 6,8 kg, wobei 5 kg auf den Hammerkopf entfallen.

Zum einen führe ich ihn auf meinen Gepäckmärschen als Zusatzgewicht mit. Mal links, mal rechts, mal in der Hand, mal geschultert.
Beim ersten Marsch mit dem Hammer war ich schon während dessen völlig erledigt. Diese fast 7 kg mehr haben mich wirklich fertig gemacht. Eine Woche später, beim zweiten Marsch, habe ich es zwar gut gepackt, aber ich fühlte mich danach völlig fertig. Und wieder eine Woche später ging es schon ganz gut. Inzwischen merke ich den Hammer zwar noch, aber mein Körper hat sich an dieses Gewicht so gut angepasst, dass er nicht mehr wirklich stört.




Für die zweite Übung braucht man einen Reifen ohne Felge, am besten einen, der größer ist, als ein Pkw-Reifen. Einer von einem kleineren Lkw oder Trecker wäre gut. Man bekommt sie umsonst oder für einen Zehner beim Reifenwechsel oder beim Wertstoffhof. Am besten erzählt man den Jungs dort, dass man damit trainieren will. Dann verstehen sie, dass er nicht irgendwann im Wald endet.

Mit dem Vorschlaghammer schlägt man kurz gesagt auf den Reifen ein, den man dazu sicher arretiert hat. Diese Übung ist dem Holzhacken abgeschaut bzw. dem Spalten von Holz mit Spaltkeil und Vorschlaghammer.
Diese Übung ist zwar nicht ungefährlich (insbesondere durch den schweren und schwingenden Hammerkopf, den man gut kontrollieren muss), aber unglaublich effektiv für den ganzen Oberkörper.
Man kann hier mit Sätzen arbeiten oder das "Hacken" in ein Zirkeltraining einbauen.




2. Der Autoreifen
Zum einen braucht man den Autoreifen wie beschrieben für die Übung mit dem Vorschlaghammer.
Zum anderen kann man den Reifen beim Marschieren oder Joggen auf dem Boden liegend hinter sich herziehen.
Damit wird man an Ausdauer oder Schnellkraft arbeiten können - je nachdem wie lange und wo man den Reifen zieht. Klar dürfte sein, dass die Strecke - egal ob bergauf oder in der Ebene - eben sein muss, damit der Reifen nirgendwo hängen bleiben kann (Verletzungsgefahr). Ich verwende als eine Art "Zuggeschirr" einen leeren leichten Rucksack, der über einen Hüftgurt und gut gepolsterte Rucksackriemen verfügt, und ich nehme langsam Tempo auf und reisse nicht am Reifen, um das Material zu schonen.
Meine Strecke ist ungefähr einen halben Kilometer lang und ich mache an jedem Ende Eigengewichtsübungen. Es ist ein Zirkeltraining. Dazu habe ich mein Geschirr und das Seil mit einem Karabinerhaken verbunden, um es schnell zu lösen und wieder verbinden zu können.


3. Die Munitionskiste
Zugegeben, es müsste nicht unbedingt eine Munitionskiste sein. Aber erstens hat diese Übung eine militärische Herkunft (und aus Sentimentalität hänge ich nun Mal daran) und zweitens sind solche Munitionskisten für ein paar Euro zu haben und so flach und robust, wie man sie hierfür braucht.
Die Übung besteht darin, die Kiste mit einem Gewicht auszustatten, z.B. gut verpackte Ziegelsteine, Hantelscheiben, kleine Sandsäcke - was auch immer (das Tolle ist, man kann es verändern). Dann trägt man die Kiste am langen Arm rechts oder links oder insbesondere eng am Körper vor sich.
Aber nicht nur die Variierbarkeit des Gewichts ist toll, sondern auch, dass man die Kiste beim Zirkeltraining, beim Joggen, auf Märschen, beim Bergauflaufen und vielen anderen Sachen mitnehmen kann.
Ich habe meine Munitionskiste (mit irgendwelchen osteuropäischen Beschriftungen und etwas beschmiert) einfach grün angestrichen. Man kann sie auch gut als Aufbewahrungskiste einsetzen.




4. Die Kanister
Kanister - insbesondere solche mit einem größeren Volumen von, sagen wir 20 oder 30 Liter, lassen sich perfekt als preiswerte Trainingsgewichte mit ganz flexibler Füllung (Wasser oder Sand) einsetzen. Wenn sie nicht vollständig gefüllt sind und sich ihr Inhalt im Kanister bewegt, ist das nicht von Nachteil, sondern erhöht die Komplexität des Trainings.
Man kann die Füllung zur Steigerung des Gewichts oder für unterschiedliche Trainierende verändern. Ich habe beispielsweise mit jeweils 10 Litern Wasser begonnen und alle zwei Wochen - mit zunehmender Gewöhnung - einen halben Liter hinzugefügt bis ich bei 15 Liter und damit rund 15 kg, einer altersgerechten Belastung, angekommen war.

Diese 30 Liter Gesamtbelastung (mit zwei Kanistern) entsprechen übrigens ungefähr den Gewichtsanforderungen einer Wildbergung in Kanada oder Grönland, d.h. man sollte dort in der Lage sein, ein solches Gewicht über wenige Kilometer zu bewegen - zusätzlich zur eigenen Ausrüstung.




5. Heavy Carry Workout
Anläßlich der genannten, eher unkonventionellen Trainingsgeräte noch ein Gedanke zum funktionalen Training allgemein: Es nützt dem Jagdreisenden und mehr noch jedem Jäger, etwas zu tun, dass beim Militär schon lange selbstverständlich ist, jedenfalls bei den besseren Einheiten: das sogenannte Heavy Carry Workout. Damit ist das Tragen von Lasten auf mindestens vier unterschiedliche Arten gemeint. Man baut dies am besten am Ende eines Ausdauertrainings ein.
Dieses Training verbessert nicht nur die Hand- und Griffkraft, sondern auch die Schulter-, Rumpf- und Beinmuskulatur und verbindet - anders als das Body Building mit seinem meist isolierten Training einzelner Muskeln - nicht nur verschiedene Muskeln und Muskelgruppen miteinander, sondern erfordert auch komplexere und vor allem realistische Bewegungsabläufe.
Beim Bergen von Wild oder Tragen von Ausrüstung, Kirrmaterial und Baumaterialien (jagdliche Einrichtungen) oder im Alltag (das banalste Beispiel ist Einkaufen), sind genau diese Bewegungen normal.
 
Die vier Arten des Tragens sind:
  • Beim sogenannten Farmer's Walk trägt man links und rechts vom Körper am langen Arm jeweils ein Gewicht. Dieses kann zur Steigerung der Komplexität auch unterschiedlich schwer sein. Das Gewicht kann aus zwei der genannten Munitionskisten oder Hanteln oder Kettlebells, gefüllten Eimern oder schweren Steinen bestehen.
  • Beim Suitcase Carry ("Koffertragen") tut man nichts anderes als man mit einem schweren Koffer am Flughafen tun würde. Man trägt ihn einarmig (links und rechts abwechseln) neben dem Körper.
  • Beim Waiter's Carry (Tragen wie ein Kellner ) trägt man das Gewicht (z.B. eine Kurzhantel) einarmig über dem Kopf - ungefähr so wie es ein Kellner in Filmen mit einem Tablett voller Getränke macht.
  • Beim Sandbag Carry (Sandsacktragen) trägt man einen Gegenstand wie einen schweren Rucksack einmal jeweils auf einer Schulter und vor dem Körper. Dazu "umarmt" man den Rucksack sozusagen.
Man kann dieses Training entweder am Ende einer langen Ausdauerphase machen oder es in ein Zirkeltraining (hier beschrieben) integrieren.


6. Allgemeines
Zuerst das Offensichtliche: Wenn die Leute in der Nachbarschaft einen bisher trotz der Gepäckmärsche und dem gelegentlichen Ausladen von Gewehrtaschen und blutigen und verdreckten Jagdklamotten noch für normal hielten, kann sich das ändern, wenn sie einen nun mit dem Reifen oder Hammer losziehen sehen... Aber beobachtet wird man vermutlich immer, wenn man etwas abseits des Mainstreams trainiert.

Dazu zwei Anekdoten: Meine kleine Tochter hielt einmal in der Grundschule ein Referat. Als die anderen Kinder danach Fragen an sie richten konnten, zeigte ein kleiner Junge auf und fragte "Warum läuft dein Vater immer mit einem Rucksack rum?" Das Referat hatte mit dem Thema natürlich gar nichts zu tun gehabt...
Und auch ich werde angesprochen. Ein Mann hatte den ganzen Sommer 2020 über einen Vorgarten angelegt und mich vier bis sechs Mal die Woche vorbeikommen sehen. Sein Haus liegt an einer Steigung und ich radelte, marschierte mit Gepäck und diversen Gewichten oder joggte. Immer wieder. Endlich, im Herbst, sagte er, der zuvor nicht einmal meinen Gruss erwidert hatte: "Sie trainieren doch auch für irgendwas, oder?"




Aber das habe ich hier eher berichtet, weil ich es lustig finde. Wichtiger ist die Frage, wann man diese Übungen in sein Programm einbauen sollte. Dazu eine klare Ansage: Auf keinen Fall sollen sie das Basistraining geringer Intensität ersetzen! Lange Strecken Marschieren, Radfahren oder Joggen ist absolut unersetzlich. Ich mache aber ein, zwei Mal die Woche Zirkeltraining und kann dies durch die genannten Übungen ergänzen oder auch ersetzen. Warum sollte man nicht nach einer lockeren Radtour noch eine viertel oder halbe Stunde mit dem Hammer arbeiten oder anstelle des Rucksacks beim Zirkeltraining die Holzkiste tragen (andere Position, anderes Gewicht, andere Muskelbeanspruchung)?

Oder warum sollte man die Holzkiste nicht in einen normalen Alltag einbauen? Jeder Gang zum Auto oder Mülleimer draußen oder Glascontainer oder oder findet immer mit der Holzkiste (oder dem Hammer) statt. Hier ist Einfallsreichtum gefragt. Und als Belohnung winkt ein quasi unmerkliches Zusatztraining...

Disclaimer
Das genannte Trainingsgerät ist - gerade für den Untrainierten - nicht ungefährlich. Vorsicht vor Überlastungen und zu viel Gewicht! Am besten, man konsultiert einen Arzt (insbesondere bei längerer Sportabsenz und/oder höherem Alter) und einen guten Trainer oder wenigstens einen erfahrenen Sportkameraden. Für Unfälle u.ä. übernehme ich keine Haftung!