Mir ist völlig egal, ob mich jemand bei der Drückjagd wegen meines Selbstladers schief anschaut, warum sollten mich also Anspielungen wegen eines Unterhebelrepetierers ("Cowboygewehr") stören.
Aber trotz jahrzehntelangem Western-Konsum (ich denke, die 40er bis 60er Jahre haben wir inklusive der B-Filme komplett), habe ich die rund 1.000 Euro für einen eigenen Unterhebelrepetierer immer gescheut.
Kurz vor Weihnachten 2019, war es soweit und ich habe mir das schönste Geschenk selbst gekauft: eine Marlin 1895 ABL im Kaliber .45-70 Government.
Marlin mit Zeissglas 1,1-6fach |
Unterhebelrepierer
Unterhebelrepetierer (UHR) werden durch einen Hebel unterhalb der Langwaffe fertiggeladen. Die Patronen befinden sich in der Regel in einem Röhre unterhalb des Laufs.
Es gab und gibt allerdings auch UHR mit Kastenmagazinen (heute beispielsweise von Browning).
Dadurch, dass die Patronen in Röhrenmagazinen hintereinander liegen, besteht die Gefahr der Entzündung. Deshalb werden Laborierungen für diese Waffen mit Flachkopfgeschossen hergestellt, die ballistisch ungünstige Eigenschaften aufweisen. UHR mit Kastenmagazinen gibt es hingegen auch in gängigen Kalibern wie .308 Winchester.
In einer Vorform gibt es UHR seit 1837, der Durchbruch gelang dieser Waffe aber erst in den 1860er Jahren im Sezessionskrieg. Bekannte Konstrukteure waren Benjamin Tyler Henry und Christopher Spencer (UHR wurden von Soldaten deshalb mitunter auch "Spencergewehre" genannt).
Der Spannhebel funktioniert, ist aber nur schwer zugänglich |
Patrone .45-70 Government
Die .45-70 Government ist eine alte US-Militärpatrone, die von 1873 bis 1894 bei Langwaffen im Einsatz war. In Gatling Guns, dem Vorläufer der modernen Maschinengewehre, überlebte diese Patrone teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein. Abgelöst wurde die .45-70 durch die Patrone .30-40 Krag.
Die .45-70 wurde von Beginn an und bis heute auch von Jägern eingesetzt. Und sie war auch recht schnell eine Patrone für die Auslandsjagd, denn kein geringerer als US-Präsident Theodore Roosevelt hat sie 1910 mit auf seine Safaris in Afrika genommen - allerdings für ein Unterhebelrepetierer mit Kastenmagazin (das andere, als nur Flachkopfgeschosse ermöglichte).
Eine solche Waffe erschien erstmals 1895 als Winchester 1895. Diese wurde u.a. im Kaliber .7,62 Russian Ordonannzgewehr in der russischen Armee (1912 bis 1916).
Core Lokt mit 405 und Lever Evolution mit 325 Grains |
Die Zunahme der Bewegungsjagden in Deutschland im Zuge der ansteigenden Schwarzwildzahlen hat diese Patrone in Deutschland in den letzten Jahren noch bekannter gemacht, als sie ohnehin schon war.
Ihre sicheren Einsatzmöglichkeiten liegen aber aufgrund ihrer ballistischen Eigenschaften bei Schüssen bis 100, mit besonders geeigneten Patronen wie der Hornady Lever Evolution bis 120 Metern. Diese hat zur Verbesserung der ballistischen Eigenschaften eine weiche Kunststoffspitze, mit der eine Selbstentzündung unmöglich ist. Dieses Geschoss wiegt 325 Grains.
Ferner erwarb ich Remington Core Lokt-Patronen mit 405 Grains Gewicht des traditionellen Teilmantelflachkopfgeschosses für die Drückjagd auf Schwarzwild.
Geschosse dieses Kalibers wogen ursprünglich in den US-Armeewaffen 405 Grains, heute findet man naturgemäß zwischen 300 und 500 Grains viele unterschiedliche Laborierungen.
Die beiden 45-70 neben 8x57 und 308 |
Marlin
Heute ist Marlin Firearms der am meisten verbreitete Hersteller von UHR. Das Unternehmen wurde 1870 von John Mahlon Marlin gegründet und hatte seinen Sitz in North Haven, Conneticut. Seit 2007 gehört es zu Remington und ist in Madison, North Carolina angesiedelt.
Die jagdlich einsetzbaren Modelle sind entweder im Kaliber .45-70 oder .30-30, wobei letzteres je nach Energie in Deutschland auf Schalenwild nicht zugelassen ist.
Das Corona-Virus und seine Begleiterscheinungen haben meine jagdlichen Pläne für 2020, so wie viele andere Vorhaben, zerstört. Eingeschossen habe ich die Waffe auf 100 m Fleck mit der leichteren Lever Evolution. Ein Vergleich mit der schwereren Core Lokt zeigt erwartungsgemäß eine Tiefenabweichung um 2 cm.
Die leichte Waffe schiebt beim Schießen sitzend aufgelegt recht unangenehm in die Schulter, aber dafür ist sie auch nicht gemacht.
Ich hatte geplant, im Sommer in die Gascogne zu fahren, um die Waffe bei einer schönen Rehwildpirsch zu verwenden und Erfahrung damit zu sammeln. Dann wollte ich sie entweder im Herbst 2020 oder Frühjahr 2021 mit nach Kanada nehmen, um damit Schwarzbären mit Hunden zu jagen, was man etwas mit meiner Pumajagd vom Januar vergleichen kann. Ich hätte für die dafür notwendigen Schüsse aus der Nahdistanz aber aus Sicherheitsgründen nach einer Patrone mit härterem Geschoss gesucht.
Vermutlich werde ich die Waffe aber höchstens mit auf Drückjagden in der Forst mitnehmen können. Ich werde dann hier in einem Nachtrag darüber berichten.