Die richtige Pistole finden

Die Schwierigkeit, die richtige Pistole zu finden, fängt damit an, dass man erst einmal die verschiedenen Möglichkeiten kennen muss. "Kennen" bedeutet nicht nur, Waffen in einem Katalog gesehen zu haben.
"Kennen" bedeutet in meinen Augen mindestens, verschiedene Pistolentypen in der Hand gehabt und intensiv damit geschossen zu haben sowie sich mit erfahrenen Nutzern dieser Waffen gründlich dazu ausgetauscht zu haben. Bei einem Händler oder auf einer Messe ist das so gut wie ausgeschlossen. Das kann einem höchstens gelingen, wenn man in einem Schützenverein ist oder einen großen Freundeskreis hat, der über unterschiedliche Pistolentypen verfügt und diese auch bereitwillig verleiht.
Ein anderer - zeitaufwendigerer und teurerer - Weg ist, sich nach und nach selbst unterschiedliche Pistolen zu kaufen. Da Jäger ein Regelbedürfnis für zwei Kurzwaffen haben und dies nur sehr schwer auf eine dritte Waffe erweiterbar ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als nach und nach verschieden Waffen zu kaufen, auszuprobieren und wieder zu veräußern.

Ich habe abgesehen von einem Revolver (einem vierzölligen Colt Python, den ich gebraucht erworben hatte) bislang eine kompakte Glock, eine Heckler & Koch USP und eine 1911 von Sig Sauer besessen. Deshalb will ich mich in der Beschreibung der Möglichkeiten auch auf diese drei Pistolen beschränken. Dabei geht es um einen Einsatz als Gebrauchspistole und nicht etwa als reines Sportgerät.

Eine Gebrauchspistole muss in meinen Augen sehr robust und äußerst zuverlässig sein. Sie darf keine umfangreiche Pflege erfordern und muss einigermaßen gut führbar sein. Schließlich muss sie auch bei Wind und Wetter und gegebenenfalls in einer Notsituation sofort und unkompliziert funktionieren (d.h. nicht nur abzufeuern, sondern auch zu zerlegen und zu reinigen sein) und ausreichend präzise sein. Ich beschränke mich bei der folgenden Betrachtung auf diese Parameter und nicht auf für eine Gebrauchspistole zu vernachlässigende Faktoren (wie z.B. Unterschiede beim präzisen Schuß aus dem Schießgestell auf 25 m).


Sig 1911


Die 1911
Die 1911 wird zu Recht als geniale Konstruktion von John Moses Browning beschrieben und sie hat einige herausragende Merkmale, aber sie ist technologisch eben auch veraltet und weist einige gravierende Nachteile als Gebrauchspistole auf. Die US-Streitkräfte musterten nach Jahrzehnten des Einsatzes in allen Konflikten vom Ersten Weltkrieg bis Vietnam 1985 als Dienstwaffe aus

Nicht nur wegen des meistens für die 1911 in Frage kommenden Kalibers .45 ACP, sondern auch wegen der Gestaltung des Griffstückes und des Magazins, hat die 1911 meist eine vergleichsweise beschränkte Magazinkapazität von 7 bzw. 8 Schuss. Der Einwand, es gebe wenig Gelegenheiten, wo man mehr als 8 Schuss braucht, ist unzulässig. Wenn Magazine mit großer Kapazität bei normal großen Waffen heute Standard sind, sind 8 Schuss einfach weniger als technisch möglich. Mit der Einstellung, jede Situation ließe sich mit ein oder zwei Schuss klären, könnte man auch ganz auf ein Magazin verzichten.

Der nächste Nachteil ist für mich gravierender, denn eine 1911 verfügt über einen Single Action Only Abzug, d.h. der Hahn muß vergleichsweise zeitaufwändig von Hand oder durch die Waffe selbst gespannt werden.
Man kann diese Pistole konstruktionsbedingt entweder
  • ungespannt
  • oder gespannt und ungesichert
  • oder gespannt und gesichert


tragen. Ist die Pistole ungespannt, ist sie schlicht nicht schnell einsatzbereit. Ist sie gespannt und ungesichert, ist sie sofort einsatzbereit, aber eben auch bei Anwendungsfehlern potenziell gefährlich. Ist sie gespannt und gesichert, steckt sie in einer Mittelposition zwischen "einsatzbereit" und "sicher". Ich muss sie erst entsichern und brauche sie nicht zu spannen. Aber ich kann unbeabsichtigt an den Entsicherungshebel kommen oder vergessen, zu entsichern. Denn je mehr Handgriffe nötig und je mehr Hebel vorhanden sind, desto mehr kann ich auch falsch machen oder unter Streß vergessen.

Dass die 1911 als Ganzstahlpistole vergleichsweise schwer ist und - jedenfalls in der 6 Zoll-Variante - auch eine relativ lange Waffe stört mich beim Führen nicht. Wenn die Jungs diese Waffe (und mehr) 1944 bei der Landung in der Normandie mitschleppen konnten, kann ich sie auch den ganzen Tag an der Seite haben, ohne zusammenzubrechen. Kleinere und schwächere Schützen mögen das anders beurteilen. Dieses Gewicht hilft mir persönlich sehr dabei, die Waffe ruhig zu halten.

Vorteile der 1911 sind in aller Regel der hervorragende Abzug, das ruhige Schießen durch das hohe Waffengewicht und das angenehme Kaliber sowie die perfekte Handlage (schmaler Griff und guter Griffwinkel sowie Schwalbenschwanz).

Ich halte die 1911 für eine ideale Sportpistole.


Die Hahnpistole (z.B. H&K USP)
Eine Pistole mit Double Action Abzug und außenliegendem Hahn wie die Universale Selbstladepistole (USP) von Heckler & Koch war mir, wie vermutlich den meisten Männern meines Alters schon durch die Bundeswehr bekannt. Die am weitesten verbreitete Dienstwaffe war zu meiner Zeit die P8, eine modifizierte USP (u.a. anderer Lauf, durchsichtiges Magazin, andere Anordnung von Sicherungs- und Entspannhebel).

Die Bundeswehr hatte natürlich eine Waffe im Kaliber 9x19 eingeführt, es gibt die USP aber auch in den Kalibern .45 ACP und .40 S&W. Einer der großen Vorteile der USP-Familie ist die Kombinierbarkeit eines Basismodells mit Wechselsystemen bzw. Wechselläufen. So kaufte ich eine USP im Kaliber .40 S&W für den Fangschuss und erwarb ohne, dass eine zusätzliche Genehmigung notwendig gewesen wäre (weil gleiches oder kleineres Kaliber) oder dass dies als zweite (und damit letzte) Waffe auf der Waffenbesitzkarte eingetragen worden wäre, ein Wechselsystem im Kaliber 9x19. Andere Kombinationen, z.B. mit den Sportversionen z.B. USP Expert, wären möglich.

Ein Double Action Abzug, auch Spannabzug genannt, bedeutet, dass diese Waffe durch das Ziehen des Abzuges gespannt werden kann und dann für den ersten Schuß einen vergleichsweise hohen Abzugswiderstand besitzt. Man kann die Pistole auch mit dem Daumen oder der linken Hand vorspannen, hat damit aber einen zweiten Vorgang bei der Schußabgabe zu bewältigen. Verfügt die Waffe über eine manuelle Sicherung, sind es drei Vorgänge, die man stresssicher beherrschen muss.

Wenn eine Pistole und ihre Handhabung und Reinigung vertraut sein muß, ist es nur natürlich, dass man auf seine alte Dienstwaffe zurückgreift. Vielleicht hat das auch emotionale Gründe. Schließlich habe ich eine P8 viele Tage und Wochen mitgeführt. Die P8 oder USP bleibt auch eine zuverlässige Waffe und ist für eine Fangschusssituation oder die Fallenjagd (es sei denn, das Kaliber 9x19 ist zu groß) perfekt.

Ich halte eine Hahnpistole wie die USP für die perfekte Waffe für den nur gelegentlich und nicht sportlich schießenden Jäger.

 



Die Striker Fired Pistol (z.B. Glock, aber auch H&K SFP9)
Das besondere an der striker fired Pistole (d.h. Pistole mit teilvorzuspannendem Double Action Only Abzugssystem) ist, dass sie erst im Moment der Schussabgabe vollständig gespannt wird. Nach dem Fertigladen, also nach dem Zurückziehen des Verschlusses, bei dem eine Patrone ins Patronenlager geführt wird, ist die Waffe nur vorgespannt. Wird der Abzug betätigt und der Schuß ausgelöst, ist die Waffe wie zuvor wieder teilvorgespannt.

Diese Konstruktion bewirkt u.a., dass die Waffe einen gleichmäßigen Abzugswiderstand hat und nicht wie bei anderen Konstruktionen beim ersten Schuss ein höherer Abzugswiderstand überwunden werden muss, als bei den Folgeschüssen. Dies fördert die Präzision beim Erstschuss.
Da es keinen außenliegenden Hahn gibt, kann diese Waffe auch weniger leicht beim Ziehen hängen bleiben. Zudem entfallen manuelle Sicherungen und der Schütze muss bei der Schußabgabe nur eines tun: den Abzug betätigen und zwar wie gesagt mit dem immer gleichen Abzugswiderstand. Die Konstruktion ist also durch die Einfachheit der Anwendung auch stresssicherer.
Zwar ließ der Abzug der Glock in der Vergangenheit einiges zu wünschen übrig, aber erstens gibt es für kaum eine Waffe derartig viele Ersatzteile unterschiedlichster Anbieter und zweitens ist das scheinbar mit der inzwischen fünften Generation der Glock anders geworden.

Es gibt Leute, die meinen, dass eine Waffe ohne manuelle Sicherung unsicher ist. Es gibt aber auch die Auffassung - und dieser stimme ich zu - dass moderne Holster heute die Aufgabe der manuellen Sicherung übernehmen. Eine Pistole liegt auch bei Dienstwaffenträgern heute nicht mehr irgendwo herum oder wird in irgendwelchen Holstern oder Hosentaschen oder Rucksäcken geführt, sondern in präzise auf die Waffe zugeschnittenen Holstern, die den Abzug verdecken. In solch einem Holster ist die Waffe, auch wenn sie fertig geladen geführt wird, absolut sicher.
Wenn man die Waffe dann zieht, ist sie sofort feuerbereit und zwar ohne weitere Handgriffe und immer mit dem gleichen Abzugsgewicht.

Aus irgendeinem Grund mag ich die Glock einfach nicht, die 1911 oder USP hingegen schon. Aber auch ich kann nach intensivem Training nicht daran vorbei, dass ich mit diesen beiden Waffen immer langsamer und beim Ersttreffer weniger präzise war als die Glock-Schützen und ich auch häufiger Bedienfehler machte. Diese Erfahrung hat mich zwangsläufig zu einem Umdenken bewegt. Die Glock gibt es in noch mehr Varianten und Kalibern als die USP und auch hier bietet sich der Vorteil, eine Waffe mit verschiedenen Kalibern und Lauflängen als Wechselsysteme oder Wechselläufe führen zu können.

Ich halte eine striker fired Pistole für die ideale Waffe, wenn dienstlich oder jagdlich mit plötzlicher Schußabgabe zu rechnen ist, wenn also u.a. die Ersttrefferwahrscheinlichkeit hoch sein muss.
Und ich halte das Nebeneinander von verschiedenen Pistolentypen für nachteilig. Kaum jemand wird so intensiv trainieren können, dass er alle gleichermaßen stresssicher beherrscht. Nicht zu Unrecht fragte ein Youtuber deswegen einmal lakonisch "Willst du Sammler oder Schütze sein?".