Meine Ausführungen gliedern sich in fünf Bereiche: Grundsätzliches, Vermeidung von Feuchtigkeit, mechanisches Management von Feuchtigkeit, technisches Management von Feuchtigkeit und Resümee.
Grundsätzliches
Es ist klar, dass man bei Bewegungen unterschiedlicher Intensität unterschiedlich stark schwitzt. Man könnte sich zwar grundsätzlich entsprechend anziehen, aber die Besonderheiten einer sportlichen Jagd erschweren dies ganz erheblich. Denn je nach Jagdart kann die Bewegungsintensität auf der selben Jagdtour innerhalb weniger Stunden erheblich variieren: beispielsweise hohe Intensität bei einem Aufstieg, mittlere Intensität bei Querbewegungen und Marsch in der Ebene, geringe Intensität beim Beobachtungshalt und Abglasen.
Die Situation verkompliziert sich erstens in Abhängigkeit vom Klima (z.B. höhere Anstrengung beim Marsch durch Schnee, Regen und Nebel als zusätzliche Feuchtigkeitsquellen) und zweitens dadurch, dass man ggf. mehrere Tage ohne die Möglichkeit der Nachversorgung unterwegs ist (z.B. bei Gebirgsjagden in Asien oder Nordamerika) und deshalb nicht beliebig viel unterschiedliche Bekleidung mitführen kann, sondern durch Gewicht und Volumen beschränkt ist.
Durch die Verdunstung von Schweiß auf der Hautoberfläche wird der Körper gekühlt. Zwar ist dies ein völlig normaler Vorgang und im Sommer auch willkommen, denn dies schützt den Menschen vor einer lebensgefährlichen Überhitzung. Aber je nach Witterung kann dies auch gefährlich werden, denn bei niedrigen Temperaturen und/oder Wind kühlt man, wenn die Belastungsphase unterbrochen ist (z.B. beim Abglasen während eines Beobachtungshaltes oder, wenn man schußbereit wartet bis das Wild in der Richtigen Position ist) so aus, dass man friert oder sogar unterkühlen kann.Winde und starke, plötzlich auftretende Temperaturunterschiede sind insbesondere im Gebirge eine Herausforderung.
Das Ziel ist es also, erstens so wenig wie möglich Feuchtigkeit entstehen zu lassen und zweitens, diese durch verschiedene Methoden zu verringern, also vom Körper und der Bekleidung weg zu transportieren.
Dauerregen in Schottland im Herbst |
Vermeidung von Feuchtigkeit
Dazu sehe ich zwei wesentliche Ansätze.
1) Es klingt banal, aber es wird von Jagdführern und Reisenden trotzdem immer wieder falsch gemacht: Wenn es keinen Grund für besondere Eile gibt, etwa, weil man einem Wild den Weg abschneiden möchte, muss man keinen Geschwindigkeitsrekord brechen. Selbst auf der Bergjagd kann der trainierte Jäger sein Marsch- und Klettertempo so wählen, dass er nicht so stark schwitzt, dass seine atmungsaktive Kleidung damit nicht fertig wird. Erfahrungsgemäß versuchen Jagdführer ihre Gäste möglichst schnell an das Wild zu bringen und neigen deshalb gelegentlich zu übertriebenem Tempo. Diesen Druck kann man ihnen jedoch durch ein klärendes Gespräch vor Jagdbeginn nehmen.
2) Hinzu kommt die richtige Wahl der Kleidung. Während eines harten Aufstieges braucht man beispielsweise oft genug gar keine Isolation. Während eines Beobachtungshalts hingegen oft sehr schnell. Und wenn die Wettersituation entsprechend ist, kann vielleicht der Regenschutz im Rucksack bleiben. Wenn es einem gelingt, seinen Jagdführer dahingehend zu "erziehen", dass man entsprechende kleine Pausen einplant und man seinen Rucksack so organisiert, dass man schnell wechseln kann, hat man viel erreicht.
Schnee, Eis, Nebel, Wind: Pyrenäen im Dezember |
Mechanisches Feuchtigkeitsmanagement
1) Lüftungsmöglichkeiten nutzen: Es hört sich selbstverständlich an, ist es aber nicht: Selbst eine wasserdampfdurchlässige Jacke kommt bei starkem Schwitzen an ihre Grenzen. Man kann den Abzug von Wasserdampf dadurch erleichtern, dass man je nach Witterung die Jacke selbst vorne öffnet, verstellbare Ärmelbündchen öffnet bzw. weiter stellt und Unterarmreißverschlüsse (falls vorhanden) öffnet und die Kapuze absetzt. Auch Jagdhosen verfügen gelegentlich über Lüftungsmöglichkeiten mit Reißverschluss.
2) Trocknen an der Luft bzw. im Schlafsack: Mein Prinzip ist, immer eine trockene Bekleidungsschicht mitzuführen. Das bedeutet, dass ich mindestens drei Garnituren brauche. Denn wenn ich am Tag eine nassgeschwitzt habe und abends mit einer trockenen Garnitur Unterwäsche in den Schlafsack krieche, will ich eine dritte trockene Garnitur als Reserve.
Das Trocknen nur der Nacht im Schlafsack zu überlassen, ist keine gute Idee, denn erstens reicht dies je nach Material nicht (ein dickes Merinohemd wird dadurch oft nicht vollständig trocken) und zweitens hole ich mir dadurch Feuchtigkeit in den Schlafsack, die wiederrum meine Leibwäsche durchfeuchtet und mich im Schlaf abkühlt. Meine Wechselwäsche führe ich übrigens in einem (wasserdichten) und ultraleichten sogenannten "dry bag" von Ortlieb mit.
Nasse Bekleidung unterwegs an der Luft trocknen ist hingegen, wenn es nicht regnet oder hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, bei Kunstfasern schnell und ohne "Nebenwirkungen" möglich, z.B. durch Anbringen außen am Rucksack. Wind und Sonne beschleunigen den Vorgang. Auf der Rast helfen z.B. der Bergstock, ein bisschen Paracord als Wäscheleine oder ein Strauch oder Ast beim Ausbreiten und Trocknen des Kleidungsstücks.
Tirol im Januar |
Technisches Feuchtigkeitsmanagement
Unter diesem Begriff verstehe ich das, was man mittels technischer Bekleidung erreicht, also die Wahl der Bekleidungsschichten und der Art der jeweiligen Textilien
1) Das Zwiebelschalenprinzip: Ich stimme dem zu, dass es in der Regel richtig ist, verschiedene Schichten (layer) übereinander zu tragen, nämlich
- die erste zum Feuchtigkeitstransport direkt enganliegend auf der Haut
- die zweite (wasserdampfdurchlässig) zur Isolation direkt darüber
- die dritte ebenfalls wasserdampfdurchlässig und wind- sowie fallweise "regendicht" noch darüber.
Bei größerer Kälte könnte man weitere isolierende Schichten ergänzen.
Ich habe aber bei geringer körperlicher Aktivität die Erfahrung gemacht, dass mich eine sehr dicke Schicht (z.B. die der Carinthia Kälteschutzbekleidung oder des Ansitzsacks vom gleichen Hersteller) besser wärmt als viele Schichten. Vermutlich ist der Einschluss von Luft in den Carinthiatextilien durch den daunenähnlichen aber viel weniger nässeempfindlichen Stoff G-Loft dem vieler anderer Bekleidungsschichten aus Wolle überlegen. Für viele Fälle der Jagd in Deutschland, wenn ich nur wenige Meter zum Hochsitz gehe oder unmittelbar nach der Jagd trockene Wäsche anziehen kann, ist also das Zwiebelschalenprinzip nicht relevant.
2) Wasserdampfdurchlässigkeit: Die Voraussetzung dafür, dass der Schweiß weg vom Körper transportiert wird, ist die Wasserdampfdurchlässigkeit der Bekleidungsschichten. Die äußerste Schicht muss zwar auch Wasserdampfdurchlässig sein, darf aber flüssiges Wasser nicht hineinlassen. Dies ist möglich, weil Wassertropfen sehr viel größer sind, als Wasserdampfmoleküle.
Es ist inzwischen bekannt, dass verschiedene Stoffe auch verschiedene Eigenschaften hinsichtlich ihrer Regen- und Wasserdampfdurchlässigkeit haben. Meine Arcteryx-Jacke beispielsweise verfügt über eine exzellente Wasserdampfdurchlässigkeit, sie ist aber nicht sehr lange regendicht. Bei meiner Kuiu-Jacke hingegen ist es umgekehrt. Ich muss sie bei starker Anstrengung öffnen, sie ist aber tagelang wasserundurchlässig und extrem robust. Natürlich bestimmt diese Erfahrung, wann ich welche Jacke trage.
3) Mögliche Stoffe der einzelnen Schichten: Die einzelnen Schichten haben unterschiedliche Aufgaben, also müssen sie aus unterschiedlichen Stoffen bestehen, die bestmöglich diese Aufgaben erfüllen können. Ich gehe hier von einer sportlichen Jagd aus, bei der Phasen der starken körperlichen Aktivität sich mit Phasen niedriger körperlicher Aktivität abwechseln und wo nicht nur ein Schutz vor Regen, sondern auch vor Kälte sichergestellt sein muss. Beispiele sind im Herbst und Winter die Gebirgsjagden in Europa (Alpenländer, Frankreich, Spanien), Jagden in den schottischen Highlands, in den skandinavischen Ländern oder Gebirgs- und Wildnisjagden in Asien und Nordamerika. Für eine sportliche Jagd in trockener Kälte (z.B. Grönland) gelten andere Regeln.
Man muß für sich selbst entscheiden wie wichtig die folgenden Parameter sind:
- Schnelligkeit des Trocknens
- Wärmeleistung trotz Nässe
- Relation von Gewicht und Wärmeleistung
- Wasserdampfdurchlässigkeit
Erste Schicht
Die erste Schicht soll Feuchtigkeit weg von der Haut transportieren und an der Oberfläche verteilen und darüber die Entstehung von Verdunstungskälte verhindern. Sie soll schnell trocknend und leicht sein. Hierfür kommt eigentlich nur Kunstfaser in Frage.
Die Frage, ob eine zusätzliche Netzstruktur (wie z.B. bei der Unterwäsche des norwegischen Herstellers Brynje) diesen Prozeß signifikant unterstützt, ist umstritten. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit dieser Netzunterwäsche und verwende sie seit Jahren.
Zweite Schicht
Die zweite Schicht soll isolieren, zusätzlich Wasserdampf durchlassen und ebenfalls so schnell wie möglich trocknen. Hierfür kommt neben einer reinen Kunstfaser wie Fleece zwar auch Merinowolle in Betracht, die besser wärmt, aber eben auch schwerer ist und langsamer trocknet. Beide Materialien sind nicht wind- und wasserdicht und in verschiedener Stärke auf dem Markt. Eine Sonderform von Fleece ist das enger gewebte Polartec. Daunen kommen wegen ihrer Nässe- und Kompressionsempfindlichkeit für mich bei dem genannten Einsatzziel nicht in Betracht.
Ich persönlich gebe bei der Auswahl dieser Schicht Fleece den Vorzug. Zwar nimmt Merinowolle weniger Körpergeruch auf, reguliert besser die Körpertemperatur, Wasser perlt bis zu einer gewissen Grenze besser von der Oberfläche ab und Wolle ist nicht so feuer- und funkenempfindlich wie Kunstfaser (ähnlich argumentieren die Lodenbefürworter), aber sie trocknet sehr viel langsamer und ist zudem nass vergleichsweise schwerer. Die Vorteile der Merinowolle sind hingegen für die Situation einer sportlichen Jagd weniger bis gar nicht relevant. Ich habe das Gefühl, dass die gegenwärtig starke Bedeutung von Merinowwolle nicht zuletzt auf die Marketingaktivitäten der Hersteller und deren schillernde Material- und Produktbezeichnungen zurückzuführen ist.
Die Auswahl dieser Schicht ist natürlich immer eine subjektive Entscheidung (Worin fühlt man sich am wohlsten?) und Jagd weist eben eine Vielzahl traditioneller Elemente auf, im Bereich der körperlichen Höchstleistung beispielsweise im Gebirge oder am Polarkreis, stehen für mich allerdings objektive Kriterien im Vordergrund.
Dritte Schicht
Die dritte Schicht soll gegen Regen und Wind schützen und trotzdem den Wasserdampf, der durch die beiden ersten Schichten gewandert ist, abgeben. Hierfür eignen sich unterschiedliche Membranen oder Beschichtungen unterschiedlicher Hersteller mit jeweils eigenen Markennamen. Gore-Tex ist nur ein Markenname einer Membran, wenn auch seit der Markteinführung 1976 einer der bekanntesten.
Im Prinzip werden diese Membranen so hergestellt, dass Folien aus bestimmten Stoffen (bei Gore-Tex speziell verarbeitetes Polytetrafluorethylen) mit Textilien wie Polyester oder Polyamid dauerhaft verklebt (d.h. laminiert) werden. Sie sind abriebfester als Beschichtungen, die auf einen Oberstoff aufgebracht werden. Membranen sind entweder durch Poren oder durch hydrophile Transportmoleküle wasserdampfdurchlässig. Diese Poren können durch das falsche Waschmittel oder auch Verschmutzung verschlossen sein können. Ich reinige meine äußerte Schicht deshalb auch primär mit kaltem Wasser. In die Waschmaschine kommt diese Bekleidung nur in Ausnahmefällen und dann auch nur mit einem geeigneten Waschmittel. Und schließlich muss man diese Stoffe nicht nur nach der Wäsche, sondern auch nach starker Nutzung mit einem geeigneten Mittel imprägnieren. beide Fragen (Waschmittel und Imprägnierung) stellt man am besten direkt dem Hersteller.
Hinzu kommt übrigens, dass es notwendig ist, dass zwischen der Umgebung und dem Mikroklima unter der äußersten Schicht der Bekleidung ein Dampfdruckgefälle geben muss, damit eine solche technische Textilie funktioniert. Wenn es also außen nicht erheblich kälter oder trockener ist, funktioniert der Abtransport des verdunstenden Schweißes nicht.
Vergeblicher Versuch, eine Merino-Unterziehjacke in Sonne und Wind zu trocknen |
Resümee
Es ist angesichts der genannten Möglichkeiten klar, dass jede Bekleidungswahl immer nur in Abhängigkeit der zu erwartenden Umstände (Anstrengungslevel, Klima, Nachversorgungsmöglichkeiten, Höhe etc.) erfolgen kann. Vor der Zusammenstellung einer Bekleidungslösung muss also eine Analyse des Reisezieles erfolgen - und zwar spezifisch für die Jahreszeit, zu der gejagt wird.
Man kommt dementsprechend nicht mit ein oder zwei Jacken aus, wenn man in verschiedenen Ländern aktiv jagt, sondern benötigt jeweils unterschiedliche Schichtsysteme für unterschiedliche Anforderungen.
Hinzu kommt die Preisfrage. Nicht jeder Euro, den beispielsweise eine Jacke mehr kostet, als eine andere, mag gerechtfertigt sein, aber es liegt auf der Hand, dass sowohl High Tech-Stoffe, als auch hochwertigste Naturstoffe ihren Preis haben. das selbe gilt auch für Ausstattungsmerkmale wie beispielsweise die Stichlänge von Nähten (Robustheit), die Einstellbarkeit von Kapuze und Ärmelbündchen und vieles mehr.
Es ist kein Zufall, dass ich vielfach erprobte, oft höherpreisige Marken wie Ortlieb, Brynje, Kuiu, Carinthia oder Arcteryx aufgeführt habe. Wenn man sich an einem langen, extrem fordernden Tag oder gar während einer mehrtägigen Tour auf das angewiesen ist, was man problemlos mit sich führen kann, müssen diese wenigen Dinge kompromisslos funktionieren.