Die .308 Winchester erblickte als zivile Patrone 1952 mit Erlaubnis der US-Streitkräfte das Licht der Welt und wurde in ihrer militärischen Form 7,62 x 51 mm NATO offiziell 1954 eingeführt.
Sie sollte erklärtermaßen die Leistung der 30-06 duplizieren (was auch weitgehend gelang), nur eben in einer verkleinerten Hülse (mit rund 16 Prozent weniger Volumen). Dennoch bleibt bis heute die Meinung verbreitet, die .308 sei zu schwach - etwa für die Drückjagd und die 30-06 sei vorzuziehen. Diese Meinung besteht wie gesagt zu Unrecht, denn die .308 wurde genau deswegen erschaffen, um die annähernd gleiche Leistung abzuliefern - nur eben mit weniger Material und Gewicht bei Waffe und Munition.
Ebenso falsch ist, dass die zivile .308 und die militärische 7,62 x 51 identisch sind (ich verwende die Namen im Folgenden dennoch synonym). Auch, wenn die Unterschiede marginal sind, sind u.a. dickere Hülsenwände, geringere Pulverräume und eine größere Länge bei den "Militärs" häufiger anzutreffen. Militärische Kammern sind demzufolge auch geringfügig länger.
Zwei andere landläufige Meinungen stimmen hingegen: Die .308 eignet sich für kurze Läufe (auch wenn dies - wie immer - vergleichsweise geringe Leistungseinbussen bedeutet) und sie besitzt eine hohe Eigenpräzision.
Was ganz entschieden für das Kaliber spricht, ist ausser den genannten Vorteilen (Leistung und Beherrschbarkeit, Eigenpräzision, kurze Läufe) vor allem ihre zivile und militärische Verbreitung. Denn noch mehr, als dies für die .300 Win Mag zutrifft, bedeutet dies eine jahrzehntelange und auch künftig weiter anhaltende ungeheuer große Auswahl an (auch preisgünstigen) Waffen, Patronen und Geschossen (falls man Wiederladen möchte). Nahezu jeder Hersteller hat Waffen bzw. Munition im Kaliber .308 und selbst einen Unterhebelrepetierer gibt es im Kaliber .308 - den Browning BLR (Browning Lever Action)!
Papierballistik
Zum Vergleich der .308 mit den beiden bekannten Patronen 30-06 und .300 Winchester Magnum einige Zahlen für die Mündungsgeschwindigkeit (V0), Geschwindigkeit auf 100 Meter (V100), Mündungsenergie (E0), Energie auf 100 Meter (E100) sowie Geschossabfall in Millimeter bei 200 Meter Entfernung (Waffe auf 100 Meter Fleck eingeschossen, Erhöhung des Zielfernrohrs über dem Lauf 40 Millimeter):
Norma Oryx 180 Grains
Vo in m/s .308 = 796; 30-06 = 823; .300 WM = 890
V100 in m/s .308 = 715; 30-06 = 740; .300 WM = 803
E0 in Joule .308 = 3.708; 30-06 = 3.964; .300 WM = 4.636
E100 in Joule .308 = 2.989; 30-06 = 3.206; .300 WM = 3.774
Abfall in mm auf 200m .308 = 153; 30-06 = 140; .300 WM = 113
Man sieht zwar leicht schwächere Werte bei der .308 im Vergleich zur 30-06, aber nicht den gravierenden Unterschied wie im Vergleich zur echten Weitschußpatrone .300 Winchester Magnum.
Der Vergleich ist zwar einerseits korrekt, weil er von gleichen Geschossgewicht ausgeht, andererseits aber auch irreführend, weil es nicht der Sinn dieser drei Kaliber ist, jeweils nur ein 180 Grains-Geschoss ins Ziel zu bringen, sondern die Geschossauswahl inklusive des Geschossgewichts hängt davon ab, was man erreichen möchte in Bezug auf Entfernung, Wildart, Wildpretentwertung etc.
Das Nachschlagewerk Ammo & Ballistic nennt als "Relative Recoil Factor" (ein Maß für den auf den Schützen wirkenden Rückstoß) bei der .308 die Zahl 1,95, für die 30-06 2,19 und für die 300 Win Mag 2,39. Der Unterschied zwischen der .308 und der 30-06 ist also auch zahlenmäßig deutlich und mir persönlich für eine Waffe, die ich ruhig von einem Hochsitz aus schieße, zu hoch.
Vermutlich gilt diese Regel für die meisten Menschen: Wenn der Rückstoss gering ist, kann sich der Schütze mehr auf den Schuss konzentrieren und schiesst deshalb (unbewusst) präziser. Dies ist dann keine direkte Eigenschaft des Kalibers, sondern lediglich eine Folge der Eigenschaft des schwächeren Rückstosses. Aber natürlich spielt eine solche Frage wegen ihrer Auswirkung auf den Schuß eine Rolle bei der Kaliberwahl. Viele Outfitter nehmen bei Jagdgästen auch kleinere Kaliber als eigentlich optimal in Kauf, wenn die Gäste damit vertraut sind und präziser schießen können, anstatt mit einem ungewohnten Rückstoss überfordert und ängstlich zu sein.
Natürlich kann man dem Rückstoss auch anders abhelfen und ich habe alle diese Methoden (teils gleichzeitig) ausprobiert: Mündungsbremse, Magnaport (geschlitzte Mündung), Schalldämpfer, höheres Waffengewicht, dämpfende Schaftkappe, Wolframgranulatzylinder im Schaft. Aber ein solcher Aufwand und die entsprechenden Kosten kann man für eine Magnum oder echte Großwildpatrone auf sich nehmen, aber sie lohnt sich nicht, um die minimalen Unterschiede zwischen .308 und 30-06 auszugleichen.
Militärischer Einsatz
Ich habe die 7,62 x 51 wie die meisten anderen Männer meines Alters mit 18 Jahren im Heckler & Koch-Sturmgewehr G3 kennengelernt - jener Waffe, die wir nach ihrer Ausmusterung und Einmottung von Restbeständen in Afghanistan zurück bekamen, um weiter und durch Hindernisse zu schießen, weil die kleinere Patrone des G36, das wir lange als nicht ernstzunehmendes "Plastikgewehr" betrachteten, dazu nicht in der Lage war.
Ich halte diese Entscheidung für nach wie vor sehr bezeichnend für die Qualität der .308. Und es bedeutet in meinen Augen ebenso viel, dass diese Patrone als das "Arbeitspferd" schlechthin weltweit bei Polizeien und Militärs im Einsatz bleibt und dort bis 800 m auf ungeschützte Personenziele verwendet wird.
Der ehemalige SOG-Sniper Joe Plaster erklärt: "This bullet [.308] is powerful enough to penetrate most media a police or military sniper would encounter, yet it's not a heavy magnum round that generates punishing recoil. And it packs sufficient lethality for even the most drug-crazed suspect with one well-placed shot."
Die SOG, d.h. Studies and Observation Group, war eine verdeckt operierende Spezialeinheit der USA im Vietnamkrieg.
Vollmantel für Auerhahn in Schweden |
Einsatz auf der Jagdreise
Abgesehen von der
uneingeschränkten Verwendbarkeit der .308 in Deutschland mit den
geringen Schussentfernungen und - mit Ausnahme stärkeren Schwarzwildes -
geringeren Wildgewichten stellt sich die Frage, wofür der Jagdreisende
diese Patrone einsetzen kann.
Pierre van der Walt bezeichnet ihren jagdlichen Einsatzzweck in Afrika als gut für
geringe Wildbretentwertung auf kurze Distanzen mit 220 Grain-Geschoss
und ebenfalls sehr wirkungsvoll bis 300 Meter mit 180 bis 200 Grains.
Es
sind tausende von Elefanten beim Culling mit leichteren FMJ-Geschossen
aus Sturmgewehren erlegt worden, aber wie van der Walt unterstreicht
eben von einigen wenigen sehr erfahrenen Spezialisten im
Regierungsauftrag. Dieses Beispiel ist zwar extrem, aber ich denke, dass
man sich grundsätzlich nicht mit den besten und erfahrendsten Jägern
einer "Disziplin" messen sollte, wenn man sein Kaliber für eine Reise
auswählt. Wie gesagt sind ungewohnt große Kaliber nicht ratsam (es sei denn, man trainiert damit so viel, dass sie nicht mehr ungewohnt sind), zu kleine Kaliber, die von einigen wenigen Experten geschossen werden aber eben auch nicht.
Einer meiner Bekannten schießt Moschusochsen mit Kleinkaliber und zwar
aufs Haupt. Aber er hat eben viele hundert Stück geschossen und ich habe
für meinen einzigen Moschusochsen lieber die .375 Holland & Holland verwendet - einfach, um entspannter jagen zu können.
Zwar
"begrenzt" van der Walt den Einsatz der .308 in Afrika auf Wild mit
fast 300 kg Gewicht, aber ich würde entsprechend meiner Erlebnisse dem
nicht aussergewöhnlich erfahrenen Jäger nicht raten, damit
schusshärteres Wild zu jagen. Anders ausgedrückt: Kleinantilopen,
Pavian, Warzenkeiler, Kudu, Hartebeest ja, alles größere und/oder zähere Wild (z.B. Oryx, Zebra) nein.
Natürlich
erfüllt die .308 auch in Ländern mit weiteren Schußentfernungen auf
Reh- und Schwarzwild ihren Zweck, also etwa auf den großen Feldern
Südfrankreichs und Englands oder auch in Schottland.
Literatur
- John Plaster: The Ultimate Super. An Advanced Training Manual for Military and Police Snipers. Boulder 1993.
- Pierre van der Welt: African Medium Game Cartridges. Johannesburg 2018.