Aber zuerst die Vorgeschichte: Ein paar Jahre lang kaufte ich mir zum Geburtstag jedes Mal ein Messer. Und zwar eines, das ich entweder immer schon haben wollte oder eines, das mir empfohlen worden war. Das Esee 6 war das Lieblingsmesser eines meiner am meisten geschätzten Youtuber. Also habe ich es mir irgendwann gekauft und am Geburtstag damit etwas lustlos herumgespielt. Es paßte schlicht nicht in meine Hand und es gefiel mir auch nicht recht.
In den Jahren darauf habe ich es deshalb eigentlich immer dann mitgenommen, wenn mir andere Messer zu schade waren. Das bedeutete in der Regel, das Esee 6 wurde stark beansprucht und/oder durch Regen, Schnee oder Arbeiten an Gewässern auch noch nass.
Batoning bei frischem Buchenholz |
Das Esee 6 stammt von der Firma Randall's Adventure & Training und ist mit rund 335 Gramm Gewicht (ohne Scheide) und einer Klingenlänge von 16,5 cm weder ein Leichtgewicht, noch klein. Unauffällig kann man es nicht mitführen. Deshalb verschwindet es zusammen mit einer Silky Gomboy-Säge in Deutschland auch meist in meinem kleinen Rucksack von Eberlestock.
Es ist so groß und schwer, dass es auch schwere Arbeiten verrichten kann und stört - anders als das wesentlich längere Longhorn Bowie von Tops Knives - beim Führen nicht sehr. Das Messer ist aus 1095 Carbonstahl und wird durch eine wirklich sagenhaft haltbare Pulverbeschichtung geschützt.
Größenvergleich mit Tops Longhorn Bowie (oben) und Tops TexCreek (unten) |
Das Messer steckte all diese Beanspruchungen klaglos weg und ich spaltete damit auch stärkstes und härtestes Holz. Aber Griff und Scheide störten mich noch immer.
Beim serienmäßigen Micarta-Griff behinderte mich die Breite. Das englische Wort "blocky" einiger Messer-Reviews auf Youtube beschreibt das Griffgefühl recht gut.
Bei der Scheide stören mich die Form und das Material. Die billig wirkende Plastikscheide steht regelrecht vom Körper ab und auf der Jagd mag ich generell kein Plastik, weil der Gewehrschaft beim Tragen des Gewehrs über der rechten Schulter schnell gegen das an der rechten Seite getragene Messer stößt und dadurch Lärm verursacht. Ich bevorzuge deshalb bei Messern, die mit auf die Jagd gehen, eine (zusätzliche) Lederscheide, die so gut wie kein Geräusch verursacht. Außerhalb der Jagd bevorzuge ich Kydex. Plastik und noch schlimmer Nylon (wie bei Tops Knives) kann ich nichts abgewinnen.
In Deutschland nehme ich das Messer meist in dem kleinen Eberlestock-Rucksack mit raus. |
Die Lösung für das Problem mit dem Griff bestand darin, neue Griffschalen aus G10 bei theknifeconnection.net in den USA zu bestellen. Ich wählte die Farbe Blaze Orange und bezahlte alles in allem rund 80 Euro für die Griffschalen, den Versand und den Zoll.
Weil die Firma derzeit nicht nach Deutschland liefert, ließ ich mir die Griffschalen zu Freunden nach Österreich schicken. Die neuen Griffschalen waren problemlos zu montieren und verbesserten die Ergonomie des Griffs erheblich. Es lag jetzt richtig gut in meiner (mittelgroßen) Hand.
Mit den neuen Griffschalen in Blaze Orange leicht findbar. |
Eine neue Lederscheide bestellte ich bei schmiedeglut.de für rund 60 Euro. Diese Scheide ist nicht individuell auf das Messer zugeschnitten, aber auf der Internetseite findet man für die verschiedenen Größen die Masse und kann dies beispielsweise mittels einer maßstabsgerechten Skizze mit dem Messer abgleichen.
Dann paßt man die Scheide an, indem man sie mindestens zehn Minuten in warmes Wasser legt und dann das vorher eingeölte Messer darin versorgt. Dann fährt man mit der Hand die Konturen des Messers mehrfach sorgfältig nach, damit die Lederscheide sich der Form des Messers anpassen kann.
Schließlich wird das Messer wieder entnommen, getrocknet und erneut eingeölt (mit abgenommenen Griffschalen, damit man keine Feuchtigkeit übersieht). Daraufhin trocknet die Scheide einige Tage und erst wenn sie durch und durch getrocknet ist, kann man das Messer erneut darin versorgen. Es sitzt jetzt "bombenfest in der Scheide" und weder verursacht das Messer dann durch lockeren Sitz in der Scheide ein Geräusch, noch kann es verloren gehen. Es ist allerdings erst nach einiger Zeit und einigem Gebrauch leicht zu ziehen.
Messer und Scheide "out of the box" |
Die Scheide selbst ist ungefärbt und aus vier Millimeter dickem Leder. Leider hat sie unten keine Öffnung, damit Wasser abfließen kann. Diese kann man mit einer Bohrmaschine noch selbst anbringen.
Wer meint, das Orange passe nicht gut zur natürlichen Farbe des Leders, hat Recht. Man könnte die Scheide jetzt nach dem Anpassen und Trocknen noch färben, aber diese rein ästhetische Frage beschäftigt mich nicht so, dass ich zu diesem Zeitpunkt unbedingt diesen Aufwand auf mich nehmen möchte.
Zum Schluß fügte ich jedenfalls noch einen neuen Lanyard in Blaze Orange hinzu - auch das eine praktische Frage (um das Hacken zu erleichtern).
Unverlierbar: Messer in der angepaßten Scheide |
Das "neue" Esee 6 lag mir nach der ganzen Prozedur so gut in der Hand und machte mir so viel Freude, dass ich es gleich auf eine Jagdreise nach Estland mitnahm. Es ist zwar groß, aber nicht zu groß, um am Gürtel für alle Fälle mitgeführt zu werden. Bei täglich acht Stunden Pirsch (morgens vier und abends vier) in vergleichsweise leichtem Gelände und beim Autofahren kam ich gut mit dem Messer zurecht. Es regnete einige Male und ich wischte das Messer nur ab, ölte es während der Reise aber auch nicht ein. Es nahm dennoch keinerlei Schaden.
Die Aufwertung hat sich gelohnt.
Nachtrag, April 2020
Jetzt hat mein Esee 6 mehrere Wochen schwere Holzarbeiten und auch mehrere Schärfversuche hinter sich. Ich habe u.a. von über zwei Raummetern Holz damit die schädlingsbefallene Rinde gelöst und zahlreiche Scheite als Anzündeholz zerkleinert. Zwischendurch habe ich damit gehackt und gehebelt. Pflege bekam das Messer nicht, sondern blieb im Auto. Der orange Griff hat beim Suchen auf dem Holzstapel oder Waldboden und im Auto einige Male gute Dienste geleistet.
Das Esee hat mich bei all dem nicht im Stich gelassen. Ich habe es aber auch nicht annähernd so scharf bekommen wie beispielsweise meine Tops-Messer oder die beiden kleinen Klappmesser aus Kohlenstoffstahl.
Das schärfste Messer, das ich deshalb zur Zeit auch zum Herstellen von "Locken" beim Anzünden meines Ofens zu Hause benutze, ist ein "Mini Hudson Bay Knife" von Condor aus 1075er Kohlenstoffstahl. Es hatte fabrikneu bereits eine unglaubliche Schärfe und ich konnte diese auch problemlos wieder herstellen.
Leider zeigte dieser vergleichsweise weiche Stahl aber auch schnell seine Nachteile. Beim Batoning von Holz brach die Klinge überraschend schnell aus. Das ist mir in dieser Form noch nicht begegnet.
Kurz gesagt ist und bleibt das Esee 6 mein Batoning- und Forstarbeitsmesser.