Wenn Stiefel nicht eingelaufen sind, kann das zu Marschblasen und anderen Beschwerden führen und damit letztlich zum Abbruch des ganzen Marsches oder gar der Jagdreise. Ich wollte im Selbstversuch herausfinden, wie stark die Beeinträchtigung ist.
Einer der Gründe für diesen Selbstversuch war ein Video auf Youtube. Es gehört zu einer Serie, die die Bundeswehr im Rahmen ihrer Nachwuchswerbung im November 2016 gestartet hat ("Die Rekruten"). Eine Reihe von Rekruten der Marinetechnikschule in Parow werden während ihrer Grundausbildung begleitet und gefilmt. Dazu gehört auch ein Eingewöhnungsmarsch über 5 km, der den jungen Leuten als herausfordernd erscheint ("Jammern Sie uns nicht die Ohren voll" begleitet einer der Ausbilder den Marsch und veranlasst bereits nach 3 km eine "Trinkpause"). Einer der Gründe für ihre Klagen sind die relativ neuen, nicht eingelaufenen Kampfstiefel.
Einen umfassenden Überblick über das Marschieren und die richtige Vorbereitung sowie die dazu notwendige Ausrüstung inklusive des Einlaufens von geeigneten Stiefeln findet man in meinem neuen Buch "Marschieren. Tipps für erfolgreiches Marschieren, Wandern, Trecking.", das bei Amazon sowohl als eBook (hier), als auch als Taschenbuch (hier) verfügbar ist.
Lederstiefel: Haix Nebraska
Ich laufe meine Stiefel stets sorgfältig ein, im Rahmen dieses Selbstversuchs startete ich aber mit zweien meiner Kinder an einem Sonntagmorgen mit fabrikneuen Haix "Nebraska"-Stiefeln und absolvierte einen einstündigen Marsch über 6,5 km mit 10 kg Gepäck. Er enthielt einige Steigungen und einen Weg über eine schwer begehbare Rückegasse im Wald. Einige Male legten wir kurze Jogging-Phasen ein.
Natürlich fühlten sich die neuen Stiefel bretthart an - gerade im
Vergleich zu meinen sorgfältig eingelaufenen Haix "KSK 2000". daran
änderte die kurze Strecke auch nichts. Aber ich bekam keinerlei
Beschwerden und wie absolvierten nachmittags noch einen Geländelauf über
6,5 km ohne jede Einschränkung.
Einige Tage später folgte ein 12 km-Marsch und am Tag darauf ein 6,5
km-Marsch. Beide mit 10 kg Gepäck wie üblich. Zwischendurch zwei
Geländeläufe von 6,5 km.
Die Stiefel waren immer noch hart und
drückten beim Marschieren insbesondere an Schienbein und Achillessehne,
aber ich hatte keinerlei wirkliche Beschwerden.
Nach inzwischen rund 25 km waren die Stiefel jedenfalls weit davon entfernt, eingelaufen zu sein.
Ich
lief einen Tag später wieder 12 km völlig beschwerdefrei und rannte
davon den letzten Kilometer. 37 km ohne Veränderungen an den Stiefeln.
Am folgenden Wochenende lief ich Freitag und Sonntag wieder je 12 km und im Zuge des ersten Marsches fingen die Stiefel endlich an, weicher zu werden. Wie üblich nach rund 50 km. Punktlandung. Beschwerden hatte ich wieder keine.
Beim zweiten Marsch und nunmehr 61 km waren die Stiefel angenehm
weich.Auch weitere 10 km eine Woche später verbesserten diesen Eindruck
nicht weiter. Zwar sind nach über 70 km die Stiefel noch nicht weich wie
Pantoffeln, dafür aber auch nicht abgelaufen oder krumm getreten.
Vermutlich liegt bei um die 100 km die bestmögliche Einlaufsituation
vor, wie man sie etwa für einen Bergmarsch in schwerem Gelände anstreben
sollte.
Materialmix: Lowa Zephyr
Einer der Gründe für die Notwendigkeit des langwierigen Einlaufens ist das Material Leder. Ich setzte deshalb meinen Versuch mit einem Paar Lowa-Stiefeln ("Zephyr GTX Mid") fort. Dieser Halbstiefel ist niedriger als der Haix-Schuh und wird gerne von Soldaten getragen - insbesondere auch in wärmeren Einsatzgebieten. Er wiegt mit rund 500 Gramm sehr viel weniger als der "Nebraska".
Ich startete deshalb mit einem paar neuer Zephyr-Stiefel einen ersten 13 km-Marsch (mit 12 kg Rucksack). Der Schuh drückte an keiner Stelle, gab dem Fuß jedoch auch sehr viel weniger halt, als der "Nebraska". Mit dem schweren Rucksack ließ sich das leichte Gewicht nicht richtig zum schnellen Laufen ausnutzen. Diese Erfahrungen bestätigte ich in den zwei kommenden zwei Wochen mit einem 10 und einem 13 km-Marsch.
Resümee
Feste und hohe, gebirgstaugliche Lederstiefel benötigen verallgemeinert gesagt mindestens um die 50 bis 60 km, um eingelaufen zu sein.
Individuelle Faktoren wie z.B. Körper- und Zusatzgewicht, Geländeanforderungen oder Art der Stiefel und des Leders sind hierbei nicht berücksichtigt.
Marschieren in solchen Stiefeln, die nicht eingelaufen sind in einfacherem Gelände (fester Untergrund), führt jedoch weder zwingend zu Beschwerden, noch zu Leistungseinbussen - jedenfalls sofern der Marschierer trainiert ist.
Moderne halbhohe Einsatzstiefel aus Materialmix (kein geschlossener Lederschuh), benötigen so gut wie kein Einlaufen, bieten jedoch bei Dauerbelastung in schwererem Gelände und/oder mit schwerem Gepäck weit weniger Halt, so dass sie ihren Gewichtsvorteil nicht ausspielen können.
Bei kurzem Marsch und leichtem Gepäck ermöglichen sie jedoch mehr Halt als Sportschuhe und sind dennoch fast gleich geeignet für Läufe und sogar Sprints.
Hinweis: Hier habe ich über Hausmittel bei Sport- und Marschbelastung berichtet und hier und hier über das Marschtraining an sich. Hier geht es um das Einlaufen und Pflegen von Stiefeln.