Tarnung im weitesten Sinne hat nichts damit zu tun, einfach Tarnbekleidung anzuziehen und sich ansonsten auf der Jagd genauso zu verhalten wie sonst auch. Tarnung ist vielmehr ein ganzheitliches Konzept mit vielen Facetten, von denen ich im folgenden einige behandeln möchte, die für die Jagd wichtig sind.
Die Bundeswehr versteht unter Tarnung: "Personal und Gerät unter Ausnutzung von Geländeform, Geländefarbe und Geländebedeckung der Umgebung anzupassen."
Ich würde aus jagdlicher Perspektive weiter gehen und definieren:
"Tarnung umfaßt alle Maßnahmen, die geeignet sind, Menschen und Material (inklusive Fahrzeuge und stationäre jagdliche Einrichtungen) sowie deren Bewegungen unter Ausnutzung von Geländeform, Geländefarbe, Geländebedeckung, Tageszeit und Wind auf der Jagd vor dem Wild (temporär) zu verbergen."
Dabei verstehe ich unter Jagd das Aufsuchen, Fangen, Verfolgen und Erlegen, gleichgültig, ob dies statisch (vom Ansitz aus) oder dynamisch (auf der Pirsch, auf der Bewegungsjagd) erfolgt.
Geländeform
Das Ausnutzen der Geländeform bedarf außer einer Analyse des Geländes und der dafür notwendigen Bewegungsart und -richtung wenig anderer Maßnahmen.
Ein Beispiel: Ein Jäger, macht eine Gruppe Muffelwild in rund 200 Meter Entfernung aus, das er anpirschen will und stellt fest, dass der Wind aus Richtung dieses Wildes kommt. In der Analyse stellt er nach rechts abfallendes Gelände fest, das eine unbemerkte Annäherung bis auf 30 Meter an das Wild erlaubt. Er muß bei dieser Annäherung zwar darauf achten, möglichst geräuschlos zu sein und die letzten Meter bis zu einem Deckung gebenden Baum sehr langsam kriechend vorgehen. Darüber hinaus, braucht er aber nichts zu beachten. Da erst das Gelände und dann der Baum ihn deckt, ist seine Bekleidung unwichtig und zum Baum hin unternimmt er in Richtung Wild auch keine Querbewegung.
Die Frage, ob der Jäger hier überhaupt so nah an das Wild heran musste, blenden wir hier aus. Es kann sein, dass ihm bei mehreren Widdern das Ansprechen aus dieser Distanz oder wegen der Gruppe ein sicherer Schuss nicht möglich war.
Links vom Zaun am Ende des Feldes Muffelwild, rechts am Bildrand die Person |
An diesem Vorgang kann man bereits vier Grundsätze festmachen:
- Wenn man Gelände ausnutzt, das das Wild nicht einsehen kann, ist eine geräuschlose Bewegung darin sicher. Scharfschützen (die sich an den Gegner heranarbeiten müssen), nennen ein solches nicht einsehbares Gelände "dead space". Die Bewegung darin ist schneller möglich, als bei einsehbarem Gelände, in dem man sich wenn überhaupt nur visuell getarnt und langsam kriechend fortbewegen kann.
Die Kinder queren das Feld unerkannt, während wenige Meter entfernt hinter dem Horizont ein Mähdrescher fährt, von dem man in der Bildmitte einen sehr kleinen Teil sieht |
- Aufenthalt und Bewegung dürfen sich nicht durch den Geruch verraten, d.h. die Windrichtung muss festgestellt und beachtet werden. In Abhängigkeit dazu muss ggf. die Bewegungsrichtung verändert werden.
- Genau so wenig darf man sich durch Geräusche verraten (man nennt dies "Geräuschdisziplin"). Die Tarnung gegen Geräusche umfaßt nicht nur die Verwendung geräuscharmer Stoffe bei der Jagdbkleidung, sondern auch ein Entklappern von Gegenständen, z.B. beim Aufeinandertreffen von harten Materialien auf einander wie Gewehrkolben auf Messerscheide oder -griff. Ob man perfekt geräuschgetarnt ist, kann man nur feststellen, indem man sich mit der Ausrüstung so bewegt wie auf der Jagd. Das berühmte Herunterspringen von einem Stuhl mit der gesamten Ausrüstung ist nicht genug, denn beim Kriechen und Laufen verschiebt sich zum Beispiel am Körper getragene Ausrüstung.
- Querbewegungen sind am besten erkennbar und deshalb zu vermeiden.
Tarnmuster
Ich habe ich mich lange geweigert, Tarnkleidung zu tragen. Ich habe aber inzwischen eingesehen, dass das je nach Gelände oder Wildart sinnvoll sein kann – etwa bei einer Pirsch im deckungsarmen Hochland auf äußerst sensibles Rotwild und erst Recht bei der Jagd auf Flugwild.
Bei Tarnkleidung soll das Prinzip der Verwischung von Flächen und Umrissen Berücksichtigung finden.
Zu berücksichtigen ist dabei ein weiterer Grundsatz: Unterschiedliche Tarnmuster sind also vor unterschiedlichen Hintergründen und auf unterschiedliche Distanzen wirksam und das gilt es bei der Auswahl passender Bekleidung zu berücksichtigen.
Ein Tarnmuster, das für den Nahbereich gemacht und dort wirksam ist, wie viele jagdliche Tarnmuster aus den USA, die für Bogenjäger entworfen sind (wie z.B. "Realtree"), die aus einer Entfernung von bis zu 30 m schießen, muss auf 100 oder 200 m nicht mehr geeignet sein. Auf diese Distanz sieht man statt dieses Tarnmusters häufig nur noch einen dunklen Fleck - als würde der betreffende Jäger gar kein Tarnmuster, sondern dunkelgrünen Lodenstoff tragen. Die meisten Tarnmuster sind auf ein jagdliche Distanz von 100 m aufwärts schlicht zu dunkel. Gut wirkt beispielsweise das "Verde" von Kuiu.
Perfekter Regenschutz, aber sehr "laut": Kuiu Bekleidung in Verde |
Es geht aber nicht nur darum, ein passendes Muster auszusuchen, sondern auch darüber hinaus die menschliche Silhouette aufzulösen. Dazu zählt nicht nur die Gestalt eines stehenden oder gehenden Menschen, insbesondere die Beine und der Schulter-Kopf-Bereich, sondern auch die T-Form von Nase, Augen und Augenbrauen.
Und schließlich bleiben häufig trotz Tarnkleidung die hellen Flecke der menschlichen Haut an Händen und im Gesicht sowie am Hals sichtbar. Ein tief ins Gesicht gezogener Hut, Handschuhe und ein Schal oder ein Schlauchtuch, das man erst auf den letzten Metern der Pirsch vor das Gesicht zieht, schützen vor einer solchen Entdeckung. Auf dem Ansitz hilft darüber hinaus ein Verhängen von Öffnungen (vor denen sich der Kopf abzeichnet) mit einem Tarnschal.
Schlecht: In der Dämmerung zeigt sich ein dunkler Kopf vor hellem Holz |
Schlecht: Man sieht hierbei ohne Verblendung jede Bewegung von Kopf bis Fuß |
Die Kanzel ist hinten offen und in der Dämmerung sind der Kopf mit dem Fernglas sowie die Bewegungen beim Auf- und Absetzen sichtbar |
Licht und Schatten
Häufig übersehen wird auch die Bedeutung von Licht und Schatten. dazu einige Hinweise.
Zunächst einmal kann Sonnenlicht auf blanken Oberflächen Reflektionen auslösen, die das Wild sieht. Dazu zählen besonders Optiken (d.h. die Objektive von Spektiven, Zielfernrohren und Ferngläsern) und Metallteile (z.B. Lauf der Waffe), aber auch oft übersehene Gegenstände wie Uhr oder Brille. Scharfschützen benutzen für ihre Objektive bestimmte Vorsätze ("Killflash"), aber oft genügt schon eine Pappe o.ä., die man mit einem Gummiband oben auf dem Objektiv befestigt.
Das Schaf im Schatten unter dem Baum ist fast unsichtbar |
Die Bewegung im Schatten, d.h. in der partiellen Dunkelheit (z.B. bei entsprechendem Sonnenstand am Waldrand) ist weniger sichtbar, als die Bewegung im Licht und die Bewegung in der vollständigen Dunkelheit ist meist erst recht für das Wild unsichtbar, während man selbst mit Nachtoptiken, Restlichtverstärkern oder Wärmebildgeräten Wild ausmachen könnte.
Selbst eine Querbewegung ist im Schatten (Bildvordergrund) schwer erkennbar |
Allerdings gibt es dazu einige Ausnahmen, denn eine dunklere menschliche Silhouette zeichnet sich vor einem helleren Hintergrund (in Dämmerung oder bei Mondlicht) ab. Bewegt man sich also auf freiem Feld, ist man in der Dämmerung und bei Mondlicht immer noch sichtbar. Bewegt man sich aber vor einem dunkleren Hintergrund (z.B. Wald, Bäume) ist man weniger bis gar nicht sichtbar.
Personen und ihre Bewegungen bei Tag können im Sonnenlicht auch selbst einen sichtbaren und verräterischen Schatten verursachen, deshalb sollte die Berücksichtigung des Sonnenstandes ebenso wie die des Windes eine normale Vorsichtsmaßnahme sein.
Täuschung
Ich würde auch die Täuschung zur Tarnung rechnen, denn dabei macht man sich zu Nutze, dass das Wild manche Personen und ihre Verhaltensweisen als harmlos betrachtet und andere nicht. Ich habe das beispielsweise bei der Jagd auf Paviane gesehen. In Südafrika gelang es mir nicht, einen zu schießen, weil die Paviane mich von weitem beobachtet haben und verschwunden sind, sobald ich eine Waffe in den Händen hielt oder mich versuchte, gedeckt an sie heranzubewegen, während sie unbeeindruckt davon waren, wenn ich entspannt auf der Terasse saß. Erlegen konnte ich später erst einen alten Pavain, dessen dunkle Silhouette sich in der Nacht vor dem helleren Horizont abzeichnete.
Dieser Bock (Bildmitte) zeigt sich regelmäßig entlang meiner Marsch-/Fahrradstrecke |
Ähnlich ist es bei heimischem Wild, das mich als Jogger, Radfahrer oder Marschierer nicht fürchtet (genau so wie Holzfäller, Nordic Walker oder Reiter) und sein Verhalten erst ändert, wenn ich mich "wie ein Jäger" benehme. Wenigstens das Kennenlernen eines neues Revieres gelingt mitunter besser bei demonstrativer Auffälligkeit (d.h. dem Verhalten von anderen Gruppen, an die das Wild gewohnt ist).