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Waffen- und Schieß-Mythen

Es gibt eine Reihe von Mythen über Waffen oder Schießen, die ich im Folgenden behandeln möchte, da sie geeignet sind, einen Jäger zu falschen Entscheidungen kommen zu lassen.

Ein schweres Geschoss ist windstabiler als ein leichtes.
Zugegeben, es hört sich plausibel an: Schieße ich z.B. mit 180 Grains statt mit 160, ist mein Geschoss 20 Grains schwerer und der Wind kann ihm entsprechend weniger anhaben. Also wähle ich für eine stabilere Flugbahn das schwerere Geschoss. Aber das ist falsch.
Richtig ist, dass das leichtere Geschoss schneller fliegt und deshalb über einen geringeren Zeitraum hinweg dem Wind ausgesetzt ist. Um den Einfluss des Windes auf die Geschossflugbahn zu verringern, ist deshalb das leichtere Geschoss sinnvoller, sofern beide von der gleichen Pulverart und -menge angetrieben werden. Bei unterschiedlichen Kalibern ist dieser Schluß also nicht so ohne weiteres zulässig.
Fazit: Habe ich bei gleichem Kaliber und gleicher Patrone die Wahl zwischen leichterem und schwererem Geschoss und befürchte (z.B. bei der Bergjagd) den Einfluss des Windes, wähle ich das leichtere Geschoss.




Die Lauflänge ist zu vernachlässigen und deshalb ist eine kurze, führige Büchse grundsätzlich besser.
Das ist in dieser Verkürzung falsch. Richtig ist: Pro Zentimeter Kürzung fehlen 3 bis 5 Prozent Leistung. Schieße ich z.B. die .300 Win Mag statt aus einem 65 cm Lauf nur aus 62 oder gar nur 60 cm, fehlen mir schon fast 10 bzw. 15 Prozent Leistung.
Noch gravierender wirkt es sich aus, wenn ich einen Lauf in einem ohnehin schwächeren Kaliber wie .308 auf diese Weise kürze.
Man kann noch nicht einmal sagen, der Leistungsverlust interessiere beispielsweise in einem engen Waldrevier mit kurzen Schussdistanzen nicht, weil man dann durch größeres Mündungsfeuer eine größere Beeinträchtigung des Schützen gerade in der Dämmerung in Kauf nehmen muß.
Allerdings bringt mehr Lauflänge zwar mehr Leistung aber nicht unbedingt auch mehr Präzision. Dafür spielen weitere Faktoren wie Dralllänge, Schwingungsverhalten des Laufes, Geschossart und andere Faktoren auch eine wichtige Rolle.
Fazit: Nur weil kurze Läufe "in Mode" sind (auch im Zusammenhang mit der Legalisierung von Schalldämpfern) und trotz der damit verbundenen Annehmlichkeiten, bedeutet das nicht, dass sie für mich grundsätzlich sinnvoller sind.


Wind ist zu vernachlässigen.
Das ist falsch, aber oft genug nicht anders möglich. Zum einen läßt sich der Wind über die gesamte Flugbahn gar nicht exakt feststellen. Dafür bedürfte es einer ganzen Kette von Windmeßgeräten, die alle gleichzeitig messen, denn der Wind verändert sich bzw. kann an unterschiedlichen Orten unterschiedlich sein. Man kann allenfalls an dem Standort, von dem aus man schießt, den Wind messen und entlang der Flugbahn anhand von Umweltbeobachtungen (Bewegung von Gräsern, Zweigen, Rauch, etc.). Schätzungen vornehmen. das setzt allerdings eine Routine vorraus, die nur die allerwenigstens Jäger entwickeln können.
Auf den meisten Schießbahnen fällt aufgrund der Erdwälle der Wind kaum ins Gewicht.
Da Seitenwind das Geschoss aus der gewünschten Flugbahn bringt, muss man in den Wind hinein korrigieren. Kommt also der Wind seitlich von links (und bewegt das Geschoss nach rechts), so hält man entsprechend weiter links an. Allerdings ist der Wind auf dem ersten Drittel der Flugbahn für fast 50 Prozent der Windeffekte verantwortlich und bedarf deshalb besonderer Beobachtung.
Fazit: Wind ist wichtig und zwar besonders der Wind zu Beginn der Flugbahn. Man sollte deshalb Windlesen und Schießen im freien Gelände trainieren und die Fähigkeit zum Einschätzen des Windes schulen. In unbekanntem Gelände ist es für den weniger geübten Schützen (insbesondere ohne ortskundigen Führer, der die Windverhältnisse aus der Erfahrung beurteilen kann) sicherlich ratsamer, einen Schuß bei beobachterer stärkerer Windsituation zu unterlassen, wenn er nicht nötig ist. Bei bereits krank geschossenem Wild sieht die Lage sicher anders aus. Hat man die Möglichkeit, ein Bergrevier ausgiebig zu erkunden und sich mit den Windverhältnissen vertraut zu machen, hat man natürlich mehr Spielraum.


Bergjagd: Nicht die richtige Gelegenheit für Experimente


Die Büchse bzw. das Kaliber entscheidet.
Falsch. Es ist wesentlich komplizierter wie man schon der Diskussion der vorangegangenen Punkte entnehmen kann. Von der Ausrüstung her betrachtet entscheidet das Zusammenspiel von Waffe, Optik, Montage, Kaliber, Patrone, Geschoss.
Hinzu kommen u.a. der Schütze, seine Waffenauflage, die Entfernung und der Winkel (bergauf oder bergab) zum Ziel und die Umwelteinflüsse wie Wind, Regen, Schnee, Höhe/Luftdruck.
Wenn ich nur auf 100 oder 150 Meter und bekannte Entfernungen (ohne körperliche Belastung und vom Hochsitz in einem mir bekannten Gelände aus) schießen muss, ist das sehr viel weniger entscheidend, als bei Schüssen auf weitere Entfernung und unter schwierigeren Bedingungen.
Wenn ich wählen müsste, wo ich Geld investiere, würde ich für die schwierigeren Bedingungen einer Jagdreise den Schwerpunkt auf Optik und Patrone/Geschoss legen.
Bei der Optik bevorzuge ich ein hochqualitatives Glas mit Absehenschnellverstellung, variabler Vergrößerung (beginnend höchstens mit dreifacher Vergrößerung für den Fall der Nachsuche oder aus anderen Gründen kurzer Distanz) und beleuchtetem Absehen, mit dem ich bereits viel Erfahrung habe.
Beim Geschoss suche ich etwas aus, das für die bejagte Wildart geeignet ist. Insbesondere im Ausland muss das Wild liegen. Nachsuchehunde gibt es meist nicht und das Gelände ist oft weitläufiger und schwieriger. Wildbretentwertung ist deshalb noch unwichtiger als ohnehin schon (auch im heimischen Revier ist mir schon aus Tierschutzgründen schnelle und sichere Tötungswirkung das Wichtigste)
Fazit: Ich muss mir insbesondere bei schwierigen Schüssen über die ganze Kette vom Abfeuern des Schusses bis zur Zielballistik Gedanken machen und damit Erfahrungen sammeln.


Die Geschossflugbahn verläuft in einer Linie.

Es fängt schon damit an, dass das Geschoss sich um sich selbst dreht (durch Züge und Felder ausgelöste Rotation zur Flugbahnstabilisierung) und geht damit weiter, dass es sowohl zunächst steigt, als auch im weiteren Verlauf der Flugbahn fällt und nicht gerade wie ein gerader "Strich" verläuft. Aber das ist noch nicht alles, denn das Geschoss gerät unter bestimmten Umständen auch sowohl im Flug, als auch im Wildkörper ins Taumeln. Das beeinflusst dann nicht nur den Treffersitz, sondern auch das Verhalten des Geschosses im Ziel (Aufpilzen und/oder Splittern) und damit die Tötungswirkung.
Diese Parameter können u.a. dafür verantwortlich sein, dass ein Schütze mit engem Streukreis auf 100 Metern und passablem Streukreis auf 300 Metern auf 200 Metern immer wieder ein unbefriedigendes Trefferbild produziert.
Fazit: Es geht nichts über Erfahrung im Schießen auf unterschiedliche Entfernungen. Man sollte seine Waffe und Munition auf 50, 100, 150, 200, 250 und 300 Meter kennen und wissen, wo man Schwächen hat und wo nicht.




Ein Entfernungsmesser misst zuverlässig die Entfernung.
Ein Entferungsmesser erzeugt einen Laserstrahl, der vom Ziel reflektiert wird und in das Gerät zurückfällt. Befindet sich etwas zwischen gemessenem Objekt und Messgerät, kann nicht oder nicht richtig gemessen werden. Das betrifft nicht nur Bewuchs, sondern auch Staub, Nebel, Regen und Schnee. Deshalb ist es sinnvoll, immer mehrfach zu messen.
Aber selbst damit ist es nicht getan, denn gerade die kleinen Entfernungsmesser, die nicht in ein Fernglas integriert sind und nur eine geringe Vergrößerung haben, machen es nicht leicht, auf dem Wildkörper eines vergleichsweise kleinen Tieres wie eine Gams oder ein Reh zu messen. Leicht misst man dann versehentlich einen Punkt über der Rückenlinie, d.h. hinter dem Wild. Auch die Lösung, auf Höhe der Füße zu messen hilft bei schlechter Sicht (insbesondere im Schnee) nicht immer. Am sichersten dürfte es sein, mehrfach und auf dem Körper bzw. auf Höhe der Füße zu messen, wenn die Zeit das erlaubt.
Fazit: Auch richtiges Messen sollte (am besten anhand bekannter Entfernungen) geübt werden und man benötigt in jedem Fall ein leistungsstärkeres Gerät als man zunächst annehmen mag.


Der Schuss im Gebirge unterscheidet sich nicht wesentlich vom Schuß in der Ebene.
200 Meter sind nicht gleich 200 Meter. In Wirklichkeit unterscheiden sich beide Schüsse ganz entscheidend dadurch, wie lang die Strecke ist, auf der die Erdanziehungskraft wirkt. Daran ist der Winkel schuld. Bei einem Schuss steil bergauf oder steil bergab wirkt die Erdanziehung kürzer auf das Geschoss als bei einem Schuss in ebenem Gelände und deshalb muss tendenziell in beiden Fällen tiefer angehalten werden.
Hinzu kommt, dass der Schuß auf Wild ein Schuß auf ein dreidimensionales Ziel ist. Hält man bei einem Schuß von steil unten nach oben beispielsweise genau auf dem Mittelpunkt des Herzes an, wird das Herz überschossen.
So hat man z.B. bei einem Winkel von 30 Grad als entscheidenden Faktor den Cosinus Alpha von 0,86603. Diesen multipliziert man mit der Entfernung, also bei 300 Metern mit 300. Man rechnet also 0,86603 x 300 = 259. Die ballistische Entfernung bei einem Winkelschuss bei 30 Grad ist also 259. Entsprechend ist die Klickverstellung bei einem ASV zu korrigieren.
Fazit: Winkelschüsse sind gerade bei größerer Distanz eine besondere Herausforderung und man sollte mit einem Ballistikprogramm für verschiedene Winkel die entsprechenden Maße (und damit Klickverstellungen) kennen.