Seiten

Statisch in der Kälte. Ausrüstung für Ansitz und Schießstand

Ich habe an anderer Stelle hier im Blog beschrieben, welche Bekleidung ich für eine körperlich anstrengende Jagd in der Kälte einsetze. Der bestimmende Faktor dabei ist der Wechsel zwischen Anstrengung (Marsch/Aufstieg) und Ruhe (Abglasen/Schießposition/Pausen) in der Kälte. Bei einem statischen Aufenthalt in Kälte und Regen (Ansitzjagd/Tag auf dem Schießstand), gelten jedoch andere Faktoren.

Der wesentliche Unterschied ist das Fehlen körperlicher Anstrengung mit zwei Folgen:
  • Positiv ist, dass man nicht schwitzt und deshalb viel weniger Gewicht auf ein Feuchtigkeitsmanagement legen muss
  • Negativ ist, dass man sich auch kaum durch Bewegung aufwärmen kann
Um mit den Herausforderungen Nässe und Kälte umzugehen gilt es, geeignete Maßnahmen in Bezug auf 1)Verhalten, 2) Bekleidung, 3) Ausrüstung und 4) Ernährung zu definieren.


Sobald die Sonne weg ist,wird es spürbar kälter


1) Verhalten
Es klingt absolut banal, wird aber dennoch fast immer falsch gemacht: Wenn es nicht notwendig ist, sich schweißtreibend anzustrengen, sollte man es bei langen statischen Aufenthalten in Nässe und Kälte auch schlicht lassen.
Anders ausgedrückt: Wer eine harte Nacht auf einem kalten Hochstand verbringt oder in einem Camp oder einen Tag auf einem offenen Schießstand, kann sich entweder bewusst so wenig wie möglich anstrengen (z.B. langsamer und kurzer Anmarsch bzw. schon vorher erfolgte Vorarbeiten) oder er muss seine Kleidung nach der Anstrengung (z.B. längerer, beschwerlicher Anmarsch, Aufbauten, Lagerbau) wechseln.

Totale Bewegungslosigkeit ist jedoch auch schlecht, wenn es sich vermeiden lässt. Auf der Jagd geht das allerdings nicht immer. Aber selbst, wenn man Anschlag auf Wild wartet, kann man wenigstens mit den Fingern und Zehen "spielen".

Zum richtigen Verhalten gehört auch, sich wenn möglich vor Wind und "Kälteseen" zu schützen und selbst wenige Sonnenstrahlen auszunutzen. Man sieht im Winter oft sehr gut, was wenige Meter oft ausmachen: im Schatten oder im Wind oder tiefer liegende Bereiche sind dann noch schneebedeckt, während er wenige Meter daneben schon weggetaut ist.


Wenige Meter machen den Unterschied: Schatten und Bachlauf links


2) Bekleidung
Hier gibt es selbst bei einem statischen Aufenthalt im Freien keine einfache Lösung. Entscheidend ist u.a., ob man in trockener Kälte ist (wie im Winter Grönlands) oder in feuchter Kälte sowie ob und in welcher Intensität Wind ins Spiel kommt.

Hier einige Erfahrungswerte aus den letzten Jahren:
Wenn Trocknungsfähigkeit eine untergeordenete Rolle spielt, kommen andere Textilien zum Einsatz, als bei Anstrengung, nämlich u.a. auch Wolle, speziell Merinowolle, und Daune, die weniger schnell trocknen (bei anstrengenden Jagden sieht die Sache wie hier und hier beschrieben anders aus).

Ich habe für einen langen Tag auf einem Schießstand im Schnee beispielsweise in meinen Bergschuhen zusätzlich dicke 600er Merinowollsocken sowie eine Jacke aus ebensolcher Merinowolle und dazu noch eine dünne Daunenjacke angezogen. Eben diese Kleidungsstücke hatte ich im Vorjahr bei einem anstrengenden Bergmarsch an. Es war mir unmöglich, sie während einer einstündigen Pause auf einer Hütte in der Sonne auch nur ansatzweise zu trocken. Kunstfasern trocknen sehr viel schneller.

Zwar wird allgemein das Zwiebelschalenprinzip wegen der darin eingeschlossenen Luftschichten als sinnvoll beschrieben (vorausgesetzt man wählt die richtige Art Schalen, also Funktionsunterwäsche, wärmende Schicht, wind- und wasserdichte Schicht die atmungsaktiv ist), aber ich selbst habe auch schon völlig andere Erfahrungen gemacht und viele Schichten durch das relative preiswerte Set "Light Insulation Garment 3.0" (rund 300 Euro) aus Jacke und Hose von Carinthia ersetzt.


Kamik, Meindl, Haix


Bei Stiefeln ist eine Entscheidung deshalb schwer, weil man mit meinen wärmsten Stiefeln kaum längere Strecken gehen kann. Deshalb trage ich in den meisten Fällen meine Haix-Stiefel (KSK 2000) mit Gamaschen, auch beispielsweise bei minus 20 Grad in Grönland oder Anatolien. Ich habe noch ein paar Stiefel von Meindl ("Sölden"), mit denen sich einigermaßen laufen, aber nicht gut länger marschieren läßt und ein paar extrem warme Stiefel von Kamik ("Cody"), die allenfalls für einen Ansitz taugen und die ich nur bei langem Stehen in Schnee und Eis einsetze (also beispielsweise auf einer Drückjagd).

Unverzichtbar ist der Schutz von Hals und Kopf durch Mütze (ggf. in Verbindung mit Kapuze) und Schal bzw. Schlauchtuch oder Balaclava. Ich habe eine doppelt gestrickte Wollmütze aus Merinowolle und kaufe wenn immer möglich Jacken und Pullover mit Kapuze (Kuiu bietet dies beispielsweise fast durchgängig an). Der (aktive) Gehörschutz (Sordin), der mich im Sommer oft stört, ist mir im Winter als "Ohrenwärmer" übrigens hochwillkommen. Das bedeutet im Ergebnis: Schutz durch Mütze, darüber Gehörschutz, darüber eine oder ggf. mehrere Kapuzen.


400er Merinowolle trocknet unendlich langsam


3) Ausrüstung
Zunächst kommt beim Ansitz ein spezieller Ansitzsack an Stelle einer Decke in Betracht. Ich habe lange mit verschiedenen Bekleidungsstücken herumexperimentiert und auch eine Kanzelheizung eingesetzt. Bei extremer Kälte hat mich nichts so zufriedengestellt, wie der dickste (und mit rund 350 Euro leider auch teuerste) Ansitzsack von Carinthia. Man kann dabei das Fußteil abnehmen und so eine kleine Wegstrecke damit laufen.

Eine anderer Ausrüstungsgegenstand mutet altertümlich an, hat sich aber ebenfalls auf der Jagd und zunehmend auch beim Militär bewährt: Ein Muff, der die Hände warmhält. Der Ansitzsack verfügt über einen integrierten Muff, aber auf Bergjagden und erst recht am Schießstand gibt es vor der Schußabgabe Momente, in denen ich keine Handschuhe tragen kann oder will und wo ich trotzdem zum Schießen warme Hände brauche. Diese stecke ich gerne in einen auf Höhe des Gürtels angebrachten Muff.

Gute Dienste leisten auch Pulswärmer, da sich an den Handgelenken die Blutgefäße nahe der Haut befinden. Kühlt sich das Blut dadurch ab, fließt es kälter in die Hände und Finger, die man zur Waffenhandhabung braucht.

Gute Handschuhe verstehen sich von selbst. Ich habe für Notfälle meist zwei Paar bei mir - nicht nur in schwierigem Gelände. Ein verlorener Handschuh bei Frost bedeutet bei einer Ansitzjagd nicht den Tod, oft genug aber das Ende eines sinnvollen Einsatzes - zumindest die Waffenhandhabung leidet dann erheblich.

Während der Nacht oder in einem Lager bzw. der Jagdhütte verwende ich gerne eine Wolldecke aus Militärbeständen. Ich habe einige ausprobiert und kann keine so empfehlen, wie die der Bundeswehr. Da sie in der Regel aus Depotbeständen stammen ist es selbst bei Neuware notwendig, sie mehrfach zu wachen und tagelang im Freien auszulüften. Bundeswehrdecken verfilzen auch dann nicht (wie z.B. dänische Armeewolldecken) und sind absolut unverwüstlich. Man kann eine solche lange Militärdecke auch gut zweiteilen und zum Sitzen bzw. als Überwurf verwenden. Ein limitierender Faktor ist hierbei natürlich das Gewicht.

Für die Nacht habe ich außer den meiner Meinung nach überschätzten und scheinbar durch geschicktes Influencer-Marketing überall gegenwärtigen Carinthia-Schlafsäcken Defense 4 und Tropen (die man im Winter als System in einander stecken kann) einen sehr teuren, aber sehr leichten Daunenschlafsack von Yeti ("Passion Five"). Man spürt zwar sein Gewicht so gut wie nicht, aber die Nässeempfindlichkeit ist ein limitierender Faktor dieses Schlafsacks.

Erfahrene Marktfrauen oder Landstreicher verwenden beim stundenlangen Stehen bzw. Liegen auf kaltem Boden immer eine Isolierung, damit der Körper nicht die Bodenkälte abbekommt. Beim langen Stehen auf dem Schießstand nehme ich ebenfalls Pappe (Kartons) und ich setze oder lege mich immer auf die Bundeswehr-Isomatte, die schon zum Schutz meines Rückens stets hinten in meinem Rucksack steckt. Es gibt isolierende Sitzkissen aus Filz, die noch besser vor Bodenkälte schützen.

Eine Wärmflasche hilft nicht nur in einem Schlafsack, sondern auch in einem Ansitzsack. Man kann das heiße Wasser dafür entweder mit einem Kocher erhitzen (bei Gaskochern ggf. Wintergas bzw. andere Kocherarten verwenden) oder in einer Thermoskanne mitbringen.


Hunsrück: Drei Stunden auf dem Drückjagdbock können lang sein


4) Ernährung
Zunächst gilt: Wer hungrig ist (und unausgeschlafen) friert leichter, als jemand, der gut ernährt (und ausgeruht) ist. Das gleiche gilt für mangelhafte Hydrierung. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass das Durstgefühl in großer Kälte nur gering ist. Ich muss mich an Tagen mit geringer körperlicher Belastung oft zum Essen und Trinken zwingen, aber ich habe immer im Blick wie es mit meiner Ernährung steht.

Hinzu kommt die Ernährung während eines statischen Aufenthaltes in der Kälte. Warmes Essen oder Trinken ist eine der wenigen Möglichkeiten, die man draußen hat, sich aufzuwärmen, denn mit warmer und wind-/regendichter Kleidung behält man zwar mehr von seiner Körperwärme, kann sie aber nicht erhöhen.

Eine Thermoskanne mit heißem Kaffee, Tee oder Brühe wäre eine Möglichkeit, Wärme zuzuführen. Ich habe mehrere Thermoskannen ausprobiert und bin bei der 0,5 Liter Kanne von Thermos geblieben. Ich spüle sie vor Befüllung mit heißem Wasser aus.