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Totalausfall: Marlin 336 und das Kaliber 30-30 Winchester

Die Firma Marlin, bekannt für einige der besten Unterhebelrepetierer, gehörte seit 2007 zu Remington. Nach der Insolvenz Remingtons wurde Marlin im September 2020 an die Firma Ruger verkauft. Die Zukunft der beliebten Modelle 336 und 1895 stand in den Sternen. Ich hielt es deshalb Ende 2021 für eine gute Idee, mir eines der letzten Exemplare zu kaufen. Es war nichts als ein teurer Fehlkauf.

Ein Modell 1895 (Kaliber 45-70 Government) hatte ich bereits gekauft (hier beschrieben) und mit einem passenden Glas als Drückjagd- und Reisewaffe ausgerüstet. Die Waffe trat wie ein Pferd und daran änderte sich auch mit Kickstopp nicht viel. Aber für ein paar schnelle und stoppende Schüsse auf Nahdistanz macht mir das nichts.

Das Modell 336 im Kaliber hatte ich für leichteres Wild vorgesehen. Insbesondere für Rehwild, aber z.B. auch für die Auslandsjagd auf Biber (etwas, dass ich inzwischen mehrfach in Schweden, Litauen und Lettland unternommen hatte).

30-30, 308, 45-70 (von links nach rechts)

Also kaufte ich bei einem alteingesessenen Waffengeschäft in NRW, das einen starken Fokus auf US-Waffen hat, im November 2021 eine Marlin.

Meine ersten Schießversuche auf 50 m über die offene Visierung verliefen unerfreulich. Ein "Manntreffer" würde kein Problem darstellen, aber auf ein DIN A4-Blatt brachte ich die Treffer nicht. Nun ja, mit Zielfernrohr würde das sicher anders, dachte ich jedenfalls...

Ich bat meinen Büchsenmacher, einen äußerst erfahrenen Mann mit Meisterbrief und über 30 Jahren Berufserfahrung in Reparatur, Einzel- und Großhandel, mir darauf ein Glas zu montieren.
Wir entschieden uns für ein noch sehr gutes, gebrauchtes Zeiss 1,5-6 x 42 auf einet Picatinnyschine.
Nach einigen Wochen meldete er sich und sagte, er habe mit zwei Gläsern und drei Laborierungen, darunter die hochgelobte Hornady Leverevolution, versucht auf 50 m halbwegs jagdlich vertretbare Streukreise zu schießen.
Diese Patrone verfügt über eine weiche Elastomerspitze und weist damit bessere ballistische Eigenschaften auf als die für den Unterhebelrepetierer aufgrund der Gefahr der Selbstentzündung im Röhrenmagazin sonst üblichen Flachkopfgeschosse. Zudem wird mit dieser Patrone auch die gesetzlich geforderte Geschossgeschwindigkeit von über 2.000 Joule auf 100 m erreicht.

Die Antwort des Büchsenmachers: Es sei nicht gegangen. Die Waffe streue mit allen drei Laborierungen ohne erkennbare Regelhaftigkeit auf DIN A4 Größe. Auch bei einem zweiten erfahrenen Schützen aus dem Betrieb.

Die schon 1895 eingeführte 30-30 Winchester ist nach wie vor eine der beliebtesten Jagdpatronen in den USA, hochgelobt von US-Präsident und Großwildjäger Theodore Roosevelt und im Internet findet sich auch keine große Kritik an ihrer Präzision. Vielleicht lag es an dieser speziellen Waffe und nicht am Kaliber oder Waffentyp. Das Marlin-Modell 336 ist nicht ganz so alt wie die Patrone. Es wurde 1948 eingeführt...

Ich rief deshalb einen weiteren Büchsenmacher an. Dieser Mann ist sozusagen der deutsche Experte für Unterhebelrepetier. Da mich Waffe und Glas bereits 1.500 Euro gekostet hatten und sinnlos im Waffenschrank standen, erklärte ich ihm das Problem und bot an, dass er buchstäblich alles machen könne, egal, was es koste. Lauf auswechseln, anderes Glas verwenden, handgeladene Munition vorschlagen. Aber er sagte, das sei ein typisches Problem von Waffe und Kaliber und er hätte in anderen Fällen bereits alles versucht. Es ginge nicht präziser.

Einige seiner Kunden ließen das Patronenlager so umarbeiten, dass es für das Kaliber 30-30 Ackley Improved (A.I.) passte. Natürlich konnte ich das auch machen, allerdings stünde ich dann den Problem der Munitionsbeschaffung gegenüber. Und diese Überarbeitung der Waffe wäre natürlich mit weiteren Kosten verbunden (Büchsenmacher, Beschussamt). Wenn man sehr an einer Waffe hängt, kann man das machen, aber für mich stehen Aufwand, Kosten und Interesse an dem Einsatz dieser Waffe in keinem Verhältnis.

Bis jetzt habe ich wenig Kritik an Unterhebelrepetierern im Kaliber 30-30 gefunden - schon gar nicht auf Deutsch. Mir scheint, dass die Liebe zu diesem Waffentyp, seiner Geschichte und seinen Vorteilen (Magazinkapazität, Ladegeschwindigkeit, schmale und kurze Bauweise, leichtes Gewicht) die meisten Schützen über Präzisionsmängel hinweg sehen lassen. Ein bisschen scheint das in amerikanischen Artikeln auch durch, z.B. durch Tipps, wie man die Präzision steigern kann ("Like me, countless other hunters have fallen under the lever-gun spell. But as we know, fine accuracy isn’t the forte of the platform." hier abrufbar), Erklärungen, dass Unterhebelrepetierer andere Vorteile als den der Präzision haben ("Lever-action rifles may not be considered the most accurate long-range rifles, but they have plenty of other factors working in their favor.") oder dadurch, dass die Marlin 336 schlicht in der Liste der besten Unterhebelrepetierer fehlt (hier abrufbar).

Wie es um die Wertigkeit und Präzision der neuen Serie der Marlin im Kaliber 30-30 Winchester bestellt ist, die im März 2023 auf den Markt gekommen ist, kann ich nicht beurteilen. Aber zusammenfassend kann man sagen, dass Sentimentalität kein guter Ratgeber ist, wenn es um Jagdwaffen geht. Ich mag die Haptik und Historie eines K98 genau so wie die eines Unterhebelrepetierers in 30-30 Win oder eines Schwedenmausers in 6,5 x 55 oder eines Enfield in .303 British und mir ist klar, dass mit allen diesen Waffen tausende Stücke Wild erlegt worden sind. Aber ich bin kein Sammler und auch ohne jedem neuen Trend hinterherzulaufen, gibt es keinen rationalen Grund, diese Museumsstücke weiter einzusetzen.

Literatur:
  • Mark Chesnut: A Lever Action .30-30 Winchester Is Still One Of The Best Deer Hunting Rifles. Outdoor Life. November 2022. Hier abrufbar.
  • Dave Emary: How To Make Your Lever-action Rifle More Accurate. In: Field & Stream. April 2019. Hier abrufbar.
  • David E. Petzal: The 8 Best Lever-action Rifles Ever Made. Field & Stream. November 2022. Hier abrufbar.