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Über das Einlaufen und Pflegen von Stiefeln

Ich hätte nicht gedacht, dass ich einen Artikel über das Einlaufen und Pflegen von Stiefeln schreiben würde - so banal und bekannt erschienen mir die möglichen Inhalte. Das änderte sich an dem Tag, als ein Freund zur Bergjagd in relativ neuen Stiefeln aufbrach.
Ich messe dem richtigen Schuhwerk zum Schutz des Fußes und für eine optimale Marsch-, Pirsch- und Laufleistung eine besondere Bedeutung zu. Es gibt Leute, die pirschen in Afrika in Sandalen, ich jedoch in den hohen Meindl Pirschstiefeln. Jedes Mal, wenn durch hohes nasses Gras oder einige Felsen hinauf oder durch feinen Sand ging, fühlte ich mich bestätigt. Und erst recht, wenn irgendwelches Getier meinen Weg kreuzte.

Im Gebirge spielt das richtige Schuhwerk eine noch wesentlich größere Rolle:
- der Fuß braucht mehr Halt und der Schuh mehr Grip, wenn das Gelände zerklüfteter und schwieriger zu gehen ist (wie z.B. bei der Querung von Hängen oder Geröllfeldern)
- der Fuß benötigt Schutz gegen Nässe und Schnee (und zwar über den Abschluss eines Stiefels hinaus bis unter das Knie)
- das Gewicht des Schuhs und seine Widerstandsfähigkeit spielen wegen der größeren körperlichen Belastung und den auf den Fuß und Schuh wirkenden Kräften eine größere Rolle (Stichwort "Geröllschutz" am Schuh)

Für die Bergjagd benötigt man deshalb meiner Meinung nach Bergschuhe und zwar solche eines namhaften und erprobten Herstellers wie z.B. Meindl, Hanwag, Lowa, Haix etc.

Haix KSK 3000 bewährt auf über 10 Jagdreisen


Einlaufen von Stiefeln
Unter "Einlaufen" verstehe ich nicht, ein paar mal anhaben. Das kommt bei mir vor dem eigentlichen Einlaufen. Da trage ich die Schuhe vielleicht ein, zwei Mal, wenn ich nur kurz zum Briefkasten laufe und wenige hundert Meter zurücklege.
Dann folgt ein kleinerer Marsch von zwei, drei Kilometern in leichtem Gelände, dann ein etwas größerer von vielleicht sechs bis acht Kilometern, dann der normale Trainingsmarsch von rund 13 Kilometern und der wird dann wiederholt, bis ich auf rund 50 bis 60 Kilometer Marschleistung mit dem Schuh gekommen bin und ihn zwei mal gründlich gereinigt habe.
Dann erst würde ich ihn auf eine Tour mitnehmen.
Es geht mir dabei nicht dogmatisch um 10 Kilometer mehr oder weniger, sondern darum, dass der Schuh Gelegenheit hatte, sich an meine Füße, an meine Art der festen Schnürung und an meine Art zu gehen in verschiedenem Gelände und unter unterschiedlichen Bedingungen anzupassen.


"Bevorratung mit Stiefeln"
Wer öfter verreist und kontinuierlich trainiert, für den ist es nicht mit einem Paar Stiefel getan. Ich halte drei Paar Stiefel für notwendig: Zwei zum abwechselnd tragen und ein neues, ungetragenes das ein kaputtes Paar bald ersetzen kann.
Erstens sollte man immer "einsatzbereit" sein, also auch dann, wenn ein Paar repariert oder neu besohlt werden muß. Ohne Ersatzpaar würde man eine Trainingsunterbrechung riskieren oder vielleicht sogar eine ganze Reise. Denn Reparaturen benötigen Zeit, sofern man überhaupt einen geeigneten Schuster findet (Schnellreparaturen scheiden für Bergschuhe meiner Meinung nach aus, denn zu viel hängt vom Bergstiefel ab*). Zudem sind neue Stiefel nicht immer zu einem guten Preis verfügbar und das Einlaufen der Stiefel benötigt wie beschrieben auch Zeit. Kurzfristiger Ersatz ist damit unmöglich.
Zweitens sollte man meiner Meinung nach die beiden "aktiven" Paare abwechselnd verwenden und damit nicht nur gleichmäßig abnutzen, sondern sie auch langsam trocknen lassen. Modernen Schuhen tut das schnelle Trocknen am Ofen nicht gut.

Nun gibt es im Internet, speziell bei Youtubern, das Gerücht, dass sich das Polyurethan (PU) in den modernen Stiefeln zersetzt, wenn man sie nicht regelmäßig benutzt. Ich habe dazu Haix gefragt und man hat mir bestätigt, dass sich das PU unabhängig von der Verwendungshäufigkeit nach Jahren zersetzt. Man muß also seine Stiefel nicht regelmäßig tragen.


Pflege von Stiefeln
Das wesentlich ist kurz erklärt: Man sollte sich wegen der unterschiedlichen Materialien und Funktionsweisen der unterschiedlichen Stiefel schlicht an die Empfehlungen der Hersteller halten und sicherheitshalber auch deren Produkte verwenden.
In der Regel schlagen sie vor:
1) den Schuh bei Verschmutzung mit einer Bürste und kaltem Wasser zu reinigen
2) den Schuh nicht an Ofen oder Heizung, sondern schonend zu trocknen
3) den Schuh nicht mit Lederfett, sondern dem empfohlenen Schuhputzmittel zu reinigen und dabei auch Metallteile zu berücksichtigen (Korosionsschutz) und die Zunge nicht außer Acht zu lassen (Vermeidung von Geräuschen)
4) den Schuh mit einem empfohlenen Imprägniermittel zu imprägnieren (oft wird empfohlen, den Schuh nicht in trockenem Zustand zu imprägnieren, sondern vorher mit Wasser zu benetzen)


Anpassung der Füße an die Stiefel
Dieses Thema ist außer bei Soldaten, die extreme Entfernungen bewältigen müssen, wenig verbreitet, aber ich glaube daran, dass es Sinn hat, seine Füße zum einen abzuhärten und zum anderen an die jeweiligen Schuhe zu gewöhnen (selbst zwei Paar der selben Stiefel haben unterschiedliche Druckstellen). Das erreicht man z.B. damit, dass man gelegentlich ohne Strümpfe in Laufschuhen Laufen geht. Das Marschieren in Stiefeln ohne Socken oder das Marschieren mit Socken in nassen Stiefeln hingegen halte ich für belastender und unterlasse es, auch wenn es Leute gibt, die das praktizieren. Für mich ist ein Trainingsausfall durch Verletzung oder Blasenbildung schwerwiegender, als das Erzielen von noch mehr Unempfindlichkeit.
Wenn man, wie ich empfehle, zwei paar Stiefel hat, muss man auch beide regelmäßig verwenden, denn jeder Stiefel ist anders und hat andere Druckstellen oder ein wenigstens leicht anderes Gehgefühl, so dass sich der Fuß an das gewöhnen sollte, was ihm bei einer Jagdtour dann auch tatsächlich zur Verfügung steht.


Besuch beim Orthopäden
Vor über 10 Jahren schon erklärte ein Schuhmacher, ich werde mit meiner Fehlstellung der Füße und einem besonderen Schmerzpunkt bald nicht mehr beschwerdefrei gehen können. Mit den richtigen Einlagen hingegen, bin ich die ganze Zeit völlig problemlos marschiert, gegangen und gerannt. Heute marschiere ich pro Woche aus Trainingsgründen über 25 km und zwar mit Gepäck und ab und zu zusätzlich mit einer Kurzhantel - völlig beschwerdefrei. Das habe ich einzig und allein meinen vom Orthopäden verschriebenen Einlagen zu verdanken und dem Umstand, dass ich sie regelmäßig erneuere, lieber zuzahle, als das einfachste und leichteste Modell zu nehmen und sie nach Verwendung im Schuh zum Trocknen herausnehme. Bei dem ein oder anderen liegen Fehlstellungen der Füße vor, die man nicht in einem Geschäft für Laufausrüstung, sondern zunächst ärztlich, d.h. bei einem guten Orthopäden ausschließen oder beraten lassen sollte.


Mehr als "nur" Schuhe
Ich trage in den Schuhen ein paar Funktionssocken und darüber ein Paar Kniestrümpfe von Meindl. So vermeide ich Druckstellen und der Fuß sitzt gut im Schuh. Es ist klar, dass ich den Schuh entsprechend anprobieren muss, also in meinem Fall mit Einlagen und den beiden Sockenpaaren. Wenn es nass oder kalt ist oder ich durchs Unterholz gehe, trage ich darüber hinaus ein Paar äußerst robuste Gamaschen. Und zwar solche mit Stahlseil unter der Sohle, denn andere Materialien gehen bei harter Belastung zu schnell kaputt. Die Gamaschen verhindern das Eindringen von Schnee, Regen und Bewuchsteilen und bieten ein bisschen zusätzlichen Wärmeschutz.


*Haix bietet beispielsweise an, die Stiefel im Werk reparieren oder neu besohlen zu lassen. Das würde ich auf jeden Fall in Anspruch nehmen. Ein so wichtiges Ausrüstungsstück gehört in die Hände von Experten.

Hinweis: Ich bin kein Arzt und gebe keinen medizinischen Rat. Hier habe ich beschrieben, wie ich mich vorbereitete. Bereiten Sie sich in Absprache mit Ihrem Arzt so vor, wie es für Ihre Konstitution und Ihr Reiseziel sinnvoll ist.