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Poncho und Liner gestern und heute

Der Poncho ist - als wollenes Stück Stoff oder als Fell von meist quadratischer Form mit einer Öffnung zum Durchstecken des Kopfes - ursprünglich ein wärmendes, mitunter auch festliches Kleidungsstück und lässt sich bis in die Antike und das präkolumbianische Südamerika (insbesondere Peru und Ekuador) zurückverfolgen.* Die vielen Verwendungsmöglichkeiten haben ihn im 19. Jahrhundert zum Militär und schließlich auch zum Jagd- und Outdooreinsatz gebracht.

Mindestens so alt sind Versuche, diese Ponchos durch die Auswahl des Materials (z.B. bestimmte Felle) oder Behandlung des Stoffes (z.B. Naturkautschuk oder Öle) wasserabweisend oder wasserdicht zu machen.

Wirklichem Erfolg waren diese Versuche aber erst im 19. Jahrhundert beschieden: Ab den 1830er Jahren begannen Hersteller in den USA und Großbritannien (entsprechende Patente für die Vulkanisierung, also die Herstellung des Kunstoffes Gummi aus Naturkautschuk, werden kurz nacheinander Thomas Hancock und Charles Goodyear erteilt) mit der kommerziellen Produktion von Regenmänteln aus Gummi. Hinzu kamen ebensolche Planen und Ponchos.


Ponchos von USGI und Helikontex im Größenvergleich


Einführung in die US-Streitkräfte
Aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten, die ein Poncho als Regen- und Kälteschutz, behelfsmässiger Schlafsack, Regen- und Sonnendach, Verwundetentrage usw. bot, übernahmen nordamerikanische Soldaten dieses Ausrüstungsstück in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
 
Der kulturelle Austausch mit dem angrenzenden Mexiko, mexikanische und andere mittel- und südamerikanische Minderheiten in den USA sowie der Unabhängigkeitskrieg von Texas gegen Mexiko 1835/36 dürften wesentlich dazu beigetragen haben, anders als europäische Armeen (z.B. im Krimkrieg) Ponchos statt Mäntel auszuwählen.
 
In Winnetou III beschreibt Karl May den mexikanischen Poncho wie folgt: "Sitzt der Mexikaner zu Pferde, so hängt über dem Sattelknopf noch der Poncho, eine Decke, welche den ganzen Körper verhüllen kann und in der Mitte einen Schlitz hat, durch den man den Kopf steckt, so daß die eine Hälfte des Poncho über den Rücken und die andere über die Brust herabfällt." Spätestens damit war der Poncho im Erscheinungsjahr der Winnetou-Trilogie 1893** auch in Deutschland angekommen. 

Die systematische und umfassende Einführung des Ponchos in die Armeen des Sezessioskrieges brachte seine Anpassung an die Bedürfnisse dieser Kriegsschauplätze mit sich. Wenn diese Ponchos gross genug geschnitten waren, konnten sie anders als Regenmäntel auch das Gepäck schützen. Außer Ponchos fanden auch gummierte Planen (ohne Schlitz für den Kopf) umfassend Verwendung. 
Den Verlust an Wärmeleisung bei diesen Ponchos kompensierte man nötigenfalls mit einer seperaten Decke und hatte damit bereits in den 1860er Jahren das bis heute genutzte Prinzip von wasserabweisendem oder wasserdichten Poncho mit Poncholiner.
 

Größenvergleich der verpackten Ponchos (USGI oben)


Der Poncho aus gummiertem Material oder alternativ Oilskin (also dicht gewebter und gewachster Baumwolle) verschwand wegen seines geringen Packmasses und ebenso geringen Gewichts nicht mehr vollständig aus den Reihen der US-Armee und wurde u.a. in den Indianerkriegen und im Spanisch-Amerikanischen Krieg, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und in Vietnam eingesetzt - schließlich aus den in den 30er Jahren erfundenen und ab den 60ern für Bekleidung zur Verfügung stehenden Kunstfasern wie Nylon.
 
 
Poncholiner
Der Poncholiner (im Slang der US-Soldaten auch "Woobie" genannt) ist ein Ersatz aus Nylon (mit Polyesterfüllung) für die schwerere Wolldecke und ergänzt den Regenponcho um eine wärmende Schicht, wenn man ihn als Decke oder Schlafunterlage bzw. als Umhang nutzt (der Woobie hat keinen Schlitz für den Kopf wie der Poncho). Er wurde Anfang der 60er Jahre bei der US-Armee eingeführt und bleibt bis heute trotz verschiedenster Schlafsacksysteme beliebt.
 
Auch, wenn der Woobie auch mit Poncho nicht für den Winter geeignet ist, so stellt er erstens eine zusätzliche Isolierung dar (etwa unter dem Schlafsack), zweitens ist er so leicht, dass er nahezu immer mitgeführt werden kann und man kann sich drittens (anders als in einen Schlafsack) in ihn schnell ein und im Notfall auch wieder auswickeln. Wenn man den Liner auf den Poncho legt und die Schnüre, die der Liner hat, in die genau gegenüber liegenden Ösen des Ponchos fädelt, hat man einen (nicht atmungsaktiven) Behelfsschlafsack, der zwar unten offen ist und, der auch nicht sehr warm ist, der aber, wenn man mit Bekleidung und Stiefeln hineinschlüpft den Unterschied zwischen "erträglich" und "kalt" machen kann. Der Liner ersetzt aber keinen vollwertigen Schlafsack, wie der US-Militärspruch schon richtig erklärt: "Carry light, freeze at night."
 
Der Liner kann darüber hinaus für viele weitere Zwecke verwendet werden: beispielsweise als Abtrennung in großen Zelten oder Unterkunftscontainern (für etwas Privatsphäre), zum darauf sitzen (z.B. draußen und in Fahrzeugen), als Arbeitsunterlage bei vergleichsweise filigranen Arbeiten (z.B. Waffe zerlegen und zusammensetzen).
 
Ein Wort noch zur Wolldecke: Was habe ich nicht Armeewolldecken der Bundeswehr oder der Dänen gekauft, gewaschen und für absolut unverzichtbar gehalten. Natürlich halten sie warm und sind robust - und gleichzeitig schwer und voluminös. Gute zivile Decken können das gleiche und inzwischen zu keinem wesentlich höheren Preis.
 

USGI-Poncho über einem 60 l-Rucksack


Der Bundeswehr-Poncho im Kalten Krieg
Angesichts der Gefahren durch ABC-Waffen erhielt der Poncho eine weitere Bedeutung und wurde im Kalten Krieg neben der ABC-Schutzmaske und Handschuhen Teil der ABC-Schutzausrüstung. Die deutsche Bundeswehr hatte mit ihrem damaligen Poncho, der heute (2022) lange nicht mehr genutzt oder hergestellt wird, einen Ausrüstungsgegenstand geschaffen, der wegen seiner Größe, Robustheit und Wasserundurchlästigkeit immer noch von Bushcraftern geschätzt wird.
 
Das Gerücht, dass der Bundeswehr-Poncho krebserregende Stoffe enthalten kann, ist insofern richtig, als dass dies offenbar für rund ein Drittel der Ponchos galt, die 1989 deswegen ausgesondert wurden (wie Der Spiegel am 13.08.1989 berichtet).
 
Sie dürften entsorgt und nicht über die Verwertungsgesellschaft des Bundes in den Handel gelangt sein, so dass nichts gegen eine Verwendung des alten Bundeswehr-Ponchos spricht, außer, dass das Material altert und spröde wird und er relativ schwer ist.

Es ist auch kein Zufall, dass die Bundeswehr den Poncho und die Zeltbahn an die Soldaten ausgab, denn zwischen beiden gibt es zwar Überschneidungen, aber auch Unterschiede. Die Zeltbahn aus gewachstem Baumwollstoff war - wie zuvor auch in der Wehrmacht und bei den Österreichern und Schweizern ("Blache") - das primäre Mittel, um daraus ein Zelt oder einen zeltähnlichen Unterschlupf zu bauen. Im Ostblock war dies ähnlich ("Plash palatka"). Die Zeltbahn ist nicht anfällig für Schäden durch Funkenflug oder spitze Äste und kann zusammen mit anderen Zeltbahnen leichter zu einem Zweimannzelt oder mit mehreren zu einem Gruppenzelt zusammengebaut werden. Und eine Zeltbahn ist auch sehr viel leiser als ein knisternden Plastikponcho. Sich damit geräuschlos zu bewegen oder auch nur anzusitzen ist nahezu unmöglich.
 

Meine Verwendung von Ponchos 
Ich habe an anderer Stelle (hier beschrieben) umfangreich über meine Verwendung von Poncho und Regenjacke berichtet. Insofern will ich hier nur weitere Verwendungen des Ponchos aufzeigen und zwei neue Modelle abhandeln.
 
Warum also führe ich den Ponche und Poncholiner sogar zusätzlich zur Regenjacke und -hose mit:
  • Beides ist leicht, füllt jedoch den Rucksack (zusammen mit einer ebenfalls sehr leichten Daunenjacke) so aus, dass er eine gute Schiessauflage darstellt.
  • Ich verfüge damit über einen Notschlafsack bzw. Unterkunft für den Fall von Verletzungen (Auskühlen) oder ungeplanten Aufenthalten (Nebel, Unwetter etc.).
  • In starkem Wind oder auf einem Boot (etwa in Schweden, in Grönland oder im Baltikum) bieten sie zusätzlichen Schutz, wenn man sitzt oder sich wenig bewegen muss bzw. den Poncho z.B. mit einem Riemen um den Bauch fixiert.
  • Ich kann einen blind damit zusätzlich abtarnen.
  • In der Jagdhütte können sie meinen Schlafsack ersetzen oder ergänzen und ein paar Grad mehr Wärme erzeugen.

Auf Märschen nehme ich immer den Poncho statt der Regenbekleidung, da er auch mein Gepäck schützt, die Beine mehr Bewegungsfreiheit haben als mit einer Überhose und er leichter an- und ausgezogen werden kann.
Bei starkem Wind kann ein Poncho allerdings genau so unangenehm sein, wie ein nasser Duschvorhang aus Plastik, dem man zu nahe gekommen ist. Dann wäre eine gewachste Zeltbahn wesentlich geeigneter - auch wenn sie irgendwann durchgeweicht und sehr viel schwerer ist.
 
Dass Poncho und Liner keinen Funkenflug vertragen, hindert mich daran, sie in einem Camp am Feuer zu benutzen. Aber in strömendem Regen sitze ich auch nicht am Feuer, sondern es bietet sich eher so etwas wie ein Überdach aus gewachster Baumwolle und Wollkleidung an.
 
Ich benutze im Wesentlichen zwei Marken: Helikontex und USGI:
 
1. Helikontex
Poncho und Poncholiner (Swagman Roll) von Helikontex aus Polen. Der Swagman Roll kostet bei Amazon rund 115 Euro und der Regenponcho rund 30 Euro. Es gibt beides in verschiedenen Tarnmustern und unifarben.
Während der wasserabweisende Swagman Roll wegen seiner Kapuze vielseitiger ist als ein Liner und durchaus bequem als Zusatzbekleidungsstück an kalten Abenden getragen werden kann, lässt der Poncho vergleichsweise schnell Wasser durch und klebt so am Körper, dass er darunter liegende Kleidung langsam durchnässt.

2. USGI
USGI ist eine US-Firma im Besitz von kriegsverehrten ex-Soldatenen ("disabled veteran owned company"). Man darf also annehmen, dass der Hersteller die Anforderungen an dieses Ausrüstungsstück aus eigenem Erleben kennt.
Der Regenponcho kostet bei Amazon rund 50 Euro und der Poncholiner mit Kompressionssack rund 70 Euro. Das Set ist damit um die 30 Euro billiger. Auch hier gibt es verschiedene Farben.
Am auffälligsten ist die unglaublich kurze Trocknungszeit des Liners nach völliger Durchnässung.

Der USGU-Poncho hält dem Regen etwas länger stand und ist etwas größer. Der dazugehörige Liner ist ebenfalls etwas größer und verfügt an den Ecken über Schnüre zur Befestigung. Außerdem weisst er Knöpfe und entsprechende Öffnungen entlang der Aussenkanten auf, so dass man ihn z.B. zum Durchstecken der Arme anpassen kann. Die Knöpfe und Öffnungen hat der Helikontex-Poncho nicht. Hätte der USGI-Liner auch noch die Möglichkeit, den Kopf hindurchzustecken, würde ich ihn klar bevorzugen - zumal er auch noch billiger ist. So ist es eine Frage des jeweiligen Einsatzzweckes bzw. der persönlichen Präferenz. Ich habe einfach beide gekauft 


Weiterführende Informationen:

 Verweise:
*Ingrid Löschen: Reclams Mode- &  Kostümlexikon. Stuttgart, dritte Auflage, 1994.
**Die einzelnen Erzählungen, die zu der Trilogie verarbeitet worden sind, sind älter.