Seiten

Whoop-Strap: Fitness-Apps zur Trainingsüberwachung

Vorbei ist die Zeit, wo man sich beim Laufen ein unangenehmes Pulsmessgerät aus hartem Plastik um den Oberkörper schnallte - nur um danach seinen Puls zu kennen und sonst nichts. Heute können Fitness-Apps wesentliche Teile des Trainings steuern und Anstrengung und Erholung auch auf einer Reise überwachen.

Ich habe, anstatt ein Fitnessarmband zu kaufen, ein Abo für eine Fitnessapp abgeschlossen. Natürlich gehört eine flache Messeinheit dazu. Sie heißt Whoop-Strap und besitzt kein Display, an dem man etwas ablesen kann. Sie misst nur. Dies aber sehr umfangreich und präzise.

Ansehen und analysieren kann man die Messergebnisse mit Hilfe der App am Mobiltelefon. Für die Mindestausstattung, also das leichte Armband mit der Messeinheit und die Nutzung der Software über die App (funktioniert mit Android und IPhone) zahlt man monatlich 25 Euro.


Der "Whoop-Strap": Nicht schön, aber erträglich

Die App behandelt drei Dimensionen und erhebt dazu unterschiedliche Parameter:

  • Belastung (des Herzkreislaufsystems)
  • Erholung
  • Schlaf
 
Da die App Alter, Gewicht und dauerhaft einen ganzen Haufen Werte erhebt, werden diese drei Dimensionen individuell betrachtet, d.h. die gleiche Laufstrecke kann bei einem Sportler als mittlere und bei einem anderen als harte Belastung bewertet und erfasst werden.


Analyse ders Erholung als Basis für Trainingsempfehlungen


Zu den Werten, die automatisch erhoben werden zählen z.B.
  • Dauer unterschiedlicher Schlafphasen (leicht, tief und REM)
  • Herzfrequenzvariabilität (Variation der Zeit zwischen zwei Herzschlägen, eine größere Variablität zeigt eine bessere Anpassungsfähigkeit des Organismus)
  • Atmungsrate pro Minute
  • Ruhepuls

Aus diesen und anderen Daten ergibt sich die Qualität des Schlafen, die Belastung des Herzkreislaufsystems und die Erholung. Ausserdem kann man manuell weitere Informationen eingeben (z.B. Alkohol, Blutdrucksenker, Kaffee), damit die App (mit der Datenlage eines Monats) Wechselwirkungen identifizieren kann.
Es ist klar, dass die Datenlage um so besser ist (und damit auch die Beurteilung und das Coaching), je länger die App Daten erhebt und Muster erkennt. Deshalb muss man für erste Aussagen mindestens vier komplette Tage Daten sammeln und für ein weitergehendes Coaching benötigt man 14 bzw. 31 Tage - wohlgemerkt trägt man die Messeinheit non-stop und nicht nur beim Sport, denn die App braucht alle Daten inklusive Schlaf und allgemeine, also nicht-sportliche Belastung!

Aber man bekommt nicht nur Informationen und ein Coaching durch die App, sondern lernt auch die ganze Zeit über mit ihr, was eigene Belastungs- und Entlastungsqualitäten und -quantitäten angeht. Ich möchte deshalb im Folgenden kurz chronologisch mein Lernen mit dieser App auflisten und dann ein Resümee ziehen.


Mountainbiken für lange Grundlagenausdauer-Einheiten


Tag 1: Ich brauche etwas Zeit und muss erst ein Video ansehen, um zu verstehen, wie man das Armband mit der App verknüpft.

Tag 2: Das Gerät hat mir für beste Performance über 8 Stunden Schlaf verordnet. Ich bin überrascht, wie genau mein Schlaf analysiert wurde. Wie lange welche Schlafphase dauert. Wie oft ich wach war (auch ohne es zu merken). Wie meine Herzfrequenz und Atmung nachts aussahen. Und ich bin überrascht, dass mein HIIT-Training auf dem Fahrradergometer gar keine HIIT ist, weil meine Herzfrequenz nicht genug ansteigt!


Belastungsempfehkung für einen Tag

Tag 3: Ich bin überrascht, dass meine Radtour von zwei Stunden mehr Trainingsbelastung darstellt, als der komplette gestrige Tag mit dem (zeitlich längeren) Marsch, dem Gewichtheben und dem Fahrradergometer.

Tag 4: Wieder Überraschungen: Mit weniger Gewicht ist mein Marsch kaum noch geeignet zur Erreichung von Grundlagenausdauer - wenigstens in Bezug auf meine Herzfrequenz. Und der Unterschied zwischen bergauf und bergab marschieren ist signifikanter als ich dachte. Die App meint, es handele sich um einen Tag der aktiven Erholung und ich bin müde nach zweieinhalb Stunden Marsch.

Tag 5: Training auch mit schweren Gewichten hat auf meine Herzfrequenz kaum Einfluss. Auch eine Erkenntnis. Es ermüdet natürlich auch anders, aber dennoch hätte ich gedacht, dass es sich stärker auswirkt. Ein paar Peaks bei wirklich schwerem Gewicht beim Bankdrücken ist aber alles. Leichtere Übungen sieht man kaum. Ein guter Grund für Zirkeltraining (hier beschrieben), wo sich Übungen mit dem Eigengewicht bzw. Behelfsgewichten mit Laufen abwechseln.


Bewertung eines Trainingsmarsches

 

Tag 6: Kein Zweifel, die App treibt mich gnadenlos an. Dass ich an einem vergleichsweise normalen Trainingstag nach einer zweistündigen Radtour noch 45 Minuten auf dem Fahrradergometer fahre, geschieht nur, weil die App es verlangt für ein gutes Trainingslevel.

Tag 8: Einmal spät eingeschlafen und die App reduziert meine Leistungsfähigkeit stärker als ich es selbst empfinde. Nach einem langen Bürotag Zirkeltraining. Verletzungsbedingt hatte ich das länger nicht gemacht. Es katapultiert mich in eine höhere Belastungszone als jemals zuvor mit der App (70 bis 80 Prozent). Das ist anaerobes Training, das mir perspektivisch hilft, in diesem ungünstigen Bereich länger durchhalten zu können.

Tag 9: Ein harter Trainingstag mit 3 Stunden Radfahren in Regen und Hagel, Gewichtheben und einer Stunde Fahrradergometer. Abends ein paar Bier und spät ins Bett. Morgens sagt die App, ich sei nicht gut regeneriert...

Tag 11: Ich weiß nicht genau, was meine Regeneration so verschlechtert hat, das Bier, das zu wenige Schlafen, der Stress im Büro oder das zu harte Training am Wochenende. Vielleicht war es auch alles zusammen. Jetzt bin ich scheinbar wieder voll regeneriert, aber was die App verlangt, erscheint mir dennoch zu viel. Ich fuhr heute zwei Stunden Rad, 30 Minuten auf dem Fahrradergometer mit voller Kraft und 30 Minuten Gewichtheben. Und es reicht immer noch nicht. Es spornt aber auch an.


Bewertung eines Nachtschlafes

Tag 12: Schon wenn man das Training plant, sorgt die "unersättliche" App dafür, dass selbst ein zweistündiger Gepäckmarsch nicht reicht. Insbesondere nicht, wenn ich gute Erholung attestiert bekomme... Ich plane on top noch eine Stunde Radfahren ein...

Tag 14: Ich bin wieder überrascht. Diesmal sehe ich wie sinnlos (aus der Trainingsperspektive) leichte Tätigkeiten wie Gartenarbeit, Spaziergänge oder das Fegen von Gehweg und Straße sind, die ich gerne mache, um ein bisschen Bewegung an einem Ruhetag zu haben. Sie beanspruchen mein Herz-Kreislaufsystem so gut wie gar nicht. Ich hätte gedacht, dass es wenigstens geringe Trainingseffekte gibt. Ausserdem staune ich bei Betrachtung meiner Sportzeiten pro Woche, was da zusammenkommt. Es sind im Moment (mit Home Office und Lockdown) zwischen 10 und 12 Stunden. Seit Monaten. Man setzt für einen Freizeitsportler pro Jahr rund 300 Stunden Sport an. Ab da beginnt Leistungssport (und u.a. ein Nachdenken über Nahrungsergänzungsmittel). Ich liege mit mindestens 600 Stunden bei rund dem Doppelten...


Teil der Bewertung eines Wochenergebnisses


Nach über zwei Wochen Erfahrungen mit der App bekomme ich weiter gute Hinweise, aber, da ich was mein Sportverhalten angeht im Moment keine signifikanten Änderungen vornehme und auch nicht reise, lerne ich nichts wesentlich Neues mehr hinzu und es ist Zeit für ein Resümee, das ich zu einem späteren Zeitpunkt ergänzen werde, wenn es in meinem Leben weiterreichende Änderungen gibt - insbesondere meine nächste Jagdreise im September, die mich wieder nach Grönland (auf Karibu) führen wird.


Resümee

Die Fitness-App bildet Anstrengung, die das Herz-Kreislaufsystem anspricht, und Erholung sehr genau ab und erlaubt damit wichtige Analysen und Schlussfolgerungen für das eigene Training. Leistungsverbesserungen lassen sich so gezielter herbeiführen. Zudem hilft die App dabei, sich von schlechten Gewohnheiten zu trennen bzw. diese zu vermindern (zu spät ins Bett, zu viel Alkohol etc.).

Die App führt bei Menschen, die der Idee von Verbesserung und Wettbewerb aufgeschlossen gegenüber stehen (und wie sonst kann man ernsthaft Sport betreiben?) zu Anreizen für eine stetige Verbesserung: Man will z.B. mehr aus einer Trainingseinheit, einem Monat oder einer bestimmten Sportart oder Übung rausholen oder man will häufiger trainieren oder besser schlafen etc. Solche Impulse bleiben wichtig - gerade für Leute, bei denen Sport eine permanente und nicht nur eine punktuelle Beschäftigung ist.

Was die App naturgemäß nicht abbildet, ist die Dimension Ernährung (inkl. Hydrierung) sowie jedes Training der Muskulatur und Beweglichkeit, da dies kaum oder gar keine Veränderung der Messwerte hervorruft. Beides ist vermutlich nicht oder nur schwer umsetzbar, aber da Ernährung einer meiner wunden Punkte ist, fehlt mir etwas. Dass mein Krafttraining nicht als solches erfasst wird, sondern nur dessen Belastung von Herz und Kreislauf ist ebenfalls nicht optimal, denn auch, wenn dies nicht mein Schwerpunkt ist, so ist es doch wesentlich für gute Ausdauerleistungen.

Je besser allerdings der Fitnesszustand ist, desto schwieriger wird es auch, ihn weiter zu verbessern und die App damit "zufriedenzustellen". Denn das Training eines weniger fitten Sportlers wird naturgemäß als stärkere Belastung verbucht (durch Erreichen eines höheren Pulses) als das identische Training eines Bessertrainierten (der weniger Belastung des Herzkreislaufsystems zeigt). Manche meiner Trainings werden kaum als Training wahrgenommen, weil sie meinen Puls nur gering beeinflussen, obwohl beispielsweise der Bewegungsapparat sehr wohl beansprucht wird. Aber das ist keine Schwäche der App, sondern eine natürliche Folge eines guten langfristigen Trainingserfolges.

Nachtrag nach 6 Monaten Einsatz: Mir sind mit der App inzwischen herausragende Trainingserfolge gelungen und ich habe nicht nur eine ganze Konfektionsgrösse verloren, sondern mir auch eine extreme Ausdauer erarbeitet wie ich zuletzt auf einer Jagdreise nach Grönland Ende September 2021 bestätigen konnte. Trotz erheblicher Anstrengungen in schwerem Gelände war meine Herz-Kreislauf-Last geringer als während einer ganz normalen Trainingswoche zu Hause!

Aber hier wurde auch eine genannte Schwäche erneut erkennbar, denn zwar war die Ausdauerbelastung für mich nicht so stark spürbar, wohl aber die Kälte um Null Grad mit Wind und das schwere Gewicht, das auf meinen Körper wirkte (lange Märsche mit voller Ausrüstung bzw. Trophäen). Natürlich hat mich auch dies sehr ermüdet, ohne, dass es hätte gemessen werden können.

In einigen Tagen bekomme ich die neue Generation von Messgerät, die kleiner ist und auch Sauerstoff im Blut und Temperatur misst. Ich werde weiter berichten.