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Mentale Stärke durch Militärtricks verbessern

Ich bin kein Freund von irgendwelchem psychologischen Hokuspokus, aber zweifelsohne gibt es ein paar Tricks, die einem in besonders herausfordernden Situationen helfen können, durchzuhalten und zum Ziel zu kommen. Die paar Tricks, die ich kenne, habe ich vom Militär mitgebracht.
Das Wort "Trick" hört sich hochtrabend an, aber wenn man sie hier liest, klingen diese Tricks wahrscheinlich ziemlich banal. Der Punkt ist aber, diese simplen Maßnahmen können einem wirklich helfen, "auf der Spur zu bleiben" und zwar nicht nur auf der Jagdreise.


Das Prinzip der Regelmäßigkeit
Um bestimmte Ziele zu erreichen, bedarf es oftmals intensiven Trainings und Lernens. Wer beispielsweise eine Gebirgsjagd in Asien unternimmt, muss u.a. Ausdauer und Kraftausdauer verbessern sowie ggf. Reiten lernen.
Man kann diese Trainingseinheiten flexibel gestalten oder stumpf einen regelmäßigen Plan abarbeiten. Das stumpfe Abarbeiten hat Vorteile, die der ganzen modernen Trainingslehre mit ihrer Fokussierung auf "Spaß" und "Abwechslung" widersprechen, aber elementar sind.
Wer beispielsweise seinen Trainingsplan so gestaltet, dass er jede Woche - egal, ob es regnet, schneit oder zu heiß ist, ob er müde oder krank ist oder irgendwelche wichtigen Termine anstehen - zwei Mal einen langen Marsch macht und eine Reitstunde nimmt und das über Monate hinweg eisern durchhält, erreicht damit über das bloße Training hinaus die brutale Konditionierung von Körper und Psyche für diese Belastung. Sie wird normal, zum Teil von einem selbst. Und wenn man dann auf der Reise diese Belastung erlebt, spulen Körper und Psyche einfach den hunderte Male erlebten Film ab.


Das Prinzip der Wiederholung
Warum sind Spezialeinheiten "besser" als normale Truppen? Unter anderem, weil sie die Möglichkeit und die dazu notwendige Einstellung haben, viele tausende Male die gleichen Techniken und Abläufe zu trainieren. Sie gehen nicht einmal im Quartal ein paar Schuss abgeben, sondern sie trainieren mit hervorragenden Schieß- und Taktiklehrern immer und immer wieder und verschießen im Laufe ihrer Karriere ganze Wagenladungen von Munition unter diesen kritischen Augen.
Einer meiner Ausbilder sagte einmal, wer eine Sache 10.000 Mal gemacht hat, kann sie auch gut. Und er meinte die 10.000 wörtlich. Einen anderen Ausbilder, einen Arzt, fragte ich, ab wann er es geschafft hätte, unter allen Umständen, also z.B. auch während eines Gefechts, venöse Zugänge bei Patienten zu legen. Er sagte, ab dem tausendsten Mal. Auch das war sehr ernst gemeint.
Im Hinblick auf Jagdreisen ist das Prinzip der Wiederholung zum Beispiel für das Schießtraining elementar. Wer immer und immer wieder Entfernungen schätzt und misst, mit seinem Ballistikturm arbeitet und Schuss um Schuss abgibt, kann irgendwann sicher und absolut reproduzierbar auf große Entfernung treffen.


Zwischenhalt bei einem brutalen Aufstieg


Das Zerlegen von Zielen in kleinere Ziele
Bei manchen Lehrgängen, insbesondere denen, mit hoher körperlicher Belastung, Schlafentzug und wenig Essen, habe ich irgendwann gedacht, ich könne das niemals durchhalten. Meist schon früh zu Beginn, wenn mir das ganze Ausmaß des Verlangten klar wurde. Schon ein Tag oder wenige Stunden mehr schienen mir unmöglich. Erst recht noch eine oder zwei ganze Wochen. Man kann diese Angst, aufgeben zu müssen noch steigern, wenn man sich dann ausrechnet, wie wenig Schlaf und wie hohe Anforderungen man in Summe hat. Damit verfestigt sich das schädliche "das schaffe ich nie"-Gefühl.
Mir hat man das Gegenteil beigebracht: Ich konzentriere mich immer auf den nächsten kleinen Abschnitt und kämpfe mich von Abschnitt zu Abschnitt durch. Ich arbeite mich in kleinen Schritten von einem Ziel zum nächsten und "feiere" dann jeweils innerlich den kleinen erreichten Erfolg. Bei einem harten Lehrgang ist das vielleicht die Zeit bis zum Frühstück, wenn es eins gibt, und dann bis zum Mittagessen oder wenigstens bis 12 Uhr. Und dann bis 6 Uhr abends und dann ist wieder ein Tag bewältigt. So geht es immer Stück für Stück weiter.
Wenn es schlimmer wird, sind die Abschnitte noch kleiner, beispielsweise unterteile ich die Strecke, die ich im Gebirge laufen muss in kleinere Strecken. Bei einer Aufteilung in vier Viertel gehe ich es beispielsweise innerlich so an: ... Erst schaffe ich eine Teilstrecke. Die erste. Das wäre doch gelacht, wenn ich die nicht packte. ... Wenn ich die habe, habe ich "den Fuß in der Türe". ... Abgehakt. Super, dann greife ich die nächste an. ... Dann habe ich die Hälfte und von da an "geht es bergab". ... Und schließlich das letzte Viertel. Wahnsinn, was ich schon abgerissen habe. Das ist ja jetzt nicht mehr viel im Vergleich. Klasse. Riesenstrecke gemacht. Und weiter geht's zu neuen Zielen. ...
Ich glaube, man versteht, was ich meine.


Das Verschieben von Problemen
Früher oder später gibt es vielleicht Dinge, die einem Angst machen. Ich hatte bei einem militärischen Einsatz beispielsweise als Passagier Flüge über unsicherem Gebiet zu absolvieren, bei denen permanent die Gefahr von Kleinwaffenfeuer und schultergestützten Fliegerabwehrsystemen bestand. Ein solcher Flug bedeutete viele Stunden Angst. Angst vor dem Flug und Angst auf dem Flug. Die Angst nahm verschiedene Formen an und "saß" irgendwann bildlich gesprochen bei mir "kalt und scharfkantig irgendwo am Ende meines Rückgrats". Eine solche Angst kann krank machen und ich entwickelte ein bestimmtes Verfahren, was ich seitdem viele Male erfolgreich praktiziert habe: Zunächst denke ich einfach nicht an die mir bevorstehende, angstauslösende Situation. Ich konnte an den Flügen ja nichts ändern und musste auch selbst währenddessen nichts tun, was ich hätte trainieren müssen. Ich verdränge dann jeden Gedanken an diese Situation sofort aus meinem Kopf. Keine Sekunde verschwende ich daran. Ich beschäftige mich oder denke intensiv an etwas anderes - beispielsweise beim Einschlafen. Ich nenne es "im Geiste woanders hingehen". Und dann ist auf einmal die Situation da und ich konzentriere mich auf das, was ich in dieser Situation zu tun habe. Immer noch wird jeder Gedanke an ein Problem, das ich nicht lösen kann, ausgeschaltet. Ich erlaube mir einfach nicht Angst zu haben. Der Gedanke ist verboten.
Natürlich funktioniert dieser Trick nicht auf diese Weise, wenn man in einer Gefahrensitation reagieren oder etwas bestimmtes können muß. Dann muß man ihn abwandeln: Man befasst sich dann analytisch mit möglichen Gefahren und trainiert diese. Man kann das auch mehrfach tun oder eine Zweit- oder Drittmeinung dazu einholen. Aber das sich mit der Gefahr Beschäftigen erfolgt zielgerichtet und strukturiert. Ich erlaube auch dann meiner Psyche nicht "spazierenzugehen" und über "was wäre, wenn"-Fragen zu grübeln. Problemanalyse und Training ist dann technisch und nicht emotional.


Das Fokussieren
Der letzte Trick hat etwas mit hochkomplexen Aufgaben zu tun. In dieser Situation versuche ich, zu einem Autisten zu werden, der sich ganz in das oder die Probleme hineinversenkt und sich während dieser Zeit, wenn die Situation es zulässt, nichts oder wenig anderes wahrnimmt. Man kann sich dazu einen EOD-(Explosive Ordnance Disposal)-Mann vorstellen, der eine Sprengfalle untersucht. Er ist zwar nicht in seinem Labor, sondern irgendwo im Einsatz, aber er konzentriert sich so darauf, den Mechanismus zu verstehen und unschädlich zu machen, dass er dennoch alles andere für den Moment ausblendet. Die Geräusche werden leiser, Bewegungen im Umfeld erscheinen irgendwie unscharf und gedämpft. Denn die Gefahr durch die Sprengfalle ist für ihn dann größer, als die der Situation um ihn herum.
Dieses Verfahren empfehle ich meinen Kindern beispielsweise bei Klassenarbeiten, wo es darum geht, genau zu verstehen, was der Lehrer wissen will und dann das auswendig gelernte auf diese Fragestellung hin anzupassen und widerzugeben. Ich habe ihnen zu Erklärung gesagt, ihre Konzentration solle so spitz wie eine Pfeilspitze sein. Genau auf diesen einen Punkt gerichtet. Das funktioniert ganz gut.
Klassisches Beispiel für eine solche Fokussierung ist die Schußabgabe auf weite Entfernung und unter den schwierigen Umweltbedingungen einer jagdlichen Situation.


Das Spazierengehen im Kopf
Ich habe diesen Trick in seiner Urform selbst entdeckt, aber als auch in der Literatur gefunden - und zwar in einem Buch von US-Soldaten, die im Vietnam-Krieg in Isolationshaft gehalten wurden. Gemeint damit ist, dass man sich in einer schwierigen Situation, in der man Zeit überbrücken muß, gezielt etwas sucht, das einen mental beschäftigt. Dieses Vorgehen kann man anwenden, wenn man den geistigen Schäden einer Gefangenschaft in Einzelhaft entgegenwirken will oder wenn man sich wach halten will, weil man beispielsweise in einer Notlage draußen (z.B. Verlaufen, im Berg von Nebel oder Schnee überrascht) in gefährlicher, nasser und/oder kalter Witterung wach bleiben muß, weil Einschlafen den sicheren Erfrierungstod bedeuten würde.
Man sucht sich dazu ein bestimmtes Thema oder eine Aufgabe, die man in immer weiterer Entwicklung durchdenken kann.
  • So kann man beispielsweise ein bekanntes Hörspiel als Ausgangspunkt nehmen und es umarbeiten, ja sich dabei sogar laut vorsprechen (in dem Fall des Wachbleibenmüssens).
  • Oder man entwickelt unabhängig von einem Hörspiel einen fiktiven Dialog, etwa eine Gerichtsverhandlung, ein Polizeiverhör oder ein Prüfungsgespräch und denkt sich oder spricht die einzelnen Teilnehmer.
  • Oder man baut sich im Geiste sein Traumhaus, stellt sich im einzelnen die Arbeitsschritte vor, die verschiedenen Zimmer und ihre Ausstattung, ja sogar die Einrichtung wie man dies alles nacheinander auf die Beine stellt.
  • Man kann sich auch andere Aufgaben stellen, etwa strukturiert seine geographischen oder historischen Kenntnisse aufsagen bzw. jemandem fiktiv erklären, wie in einer erfundenen Vorlesung.
Der Sinn dieser zugegebenermaßen schräg wirkenden Methode liegt darin, sich zu beschäftigen und zwar entweder, weil man wachbleiben muß (deshalb vom Sinn her zusammenhängende "Aufgaben", die man fertig "bearbeiten" muß) oder eine geistige Beschäftigung braucht, um seinen Tag zu gestalten und nicht mangels Außenreiz zugrunde zu gehen.


Mir ist klar, dass ich mit diesen fünf Psychotricks den Bereich Jagdreise eigentlich verlasse. Diese Mechanismen zum Umgang mit der eigenen Psyche habe ich vom Militär. Aber mir haben sie auf der Jagd und bei Herausforderungen im Alltag gut geholfen. Ausprobieren schadet nicht.